1.300 Seiten-Akte der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz in Mordprozess der Verteidigung vorenthalten

Published On: 21. März 2022

Die für heute terminierte Hauptverhandlung vor der 1. Strafkammer des Landgerichts Bad Kreuznach gegen den wegen Mordes Angeklagten Mario Neumann (Az: 1 Ks 1041 Js 12424/21) musste um 9:50 Uhr für eine Stunde unterbrochen werden, weil Neumanns Verteidiger, die Rechtsanwälte Alexander Klein und Axel Küster, die Akten der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz bis zum Prozessbeginn nicht erhalten hatten und in der nun angeordneten Pause sichten müssen.

Es handelt sich um eine 1.300 Seiten große Akte der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz, die das LKA mit Ermittlungen gegen Neumann beauftragte.

Oberstaatsanwältin Nicole Frohn von der Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach sagte, nachdem sie die Anklageschrift gegen Neumann verlesen hatte, sie habe am Mittwoch vergangener Woche die 1.300 Seiten große Akte der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz erhalten. Diese habe sie am Donnerstag der 1. Strafkammer des Landgerichts Bad Kreuznach weitergeleitet.

Die Vorsitzende Richterin Dr. Claudia Büch-Schmitz sagte, sie habe die Akten der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz am Donnerstag erhalten und bis zu diesem Zeitpunkt nichts von Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz gegen Neumann gewusst.

Den Rechtsanwälten Klein und Küster habe man die Akten der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz nicht per «beA» zustellen können, da die Akte «zu umfangreich» seien. «BeA» ist die Abkürzung für das «Besondere elektronische Anwaltspostfach».

Rechtsanwalt Klein ärgerte sich in der Pause über die misslungene Übermittlung der Akten. Der Verteidiger sagte, das Gericht hätte die Verteidigung am Donnerstag telefonisch über den Eingang der Akten der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz und über die Übermittlungsprobleme per «beA» informieren können, dann hätte die Verteidigung die Akten bereits am Donnerstag bei Gericht abholen können. Auch eine Übertragung per «beA» in mehreren Tranchen wäre laut Rechtsanwalt Klein eine Lösung gewesen.

«Die Akten in so einem wichtigen Fall nicht rechtzeitig an die Verteidigung weiterzuleiten, ist ein Unding», so Rechtsanwalt Klein auf dem sonnigen Flur vor Saal 7, in dem gegen seinen Mandanten verhandelt wird.

Vor Unterbrechung der Verhanldung übergab die Vorsitzende Richterin Dr. Büch-Schmitz den Rechtsanwälten Klein und Küster CDs, auf denen die Inhalte der Akten der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz gespeichert seien.

Die Vorsitzende Richterin Dr. Büch-Schmitz gestand den Rechtsanwälten Klein und Küster eine Stunde Pause für die Sichtung der 1.300 Seiten zu. «Das reicht, um mal schnell durch die Akten durchzuscrollen», sagte die Vorsitzende Richterin Dr. Büch-Schmitz der Verteidigung.

Rechtsanwalt Küster entgegnete, wenn die Akten der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz so umfangreich seien wie behauptet, dann reiche einmal «schnell durchsrollen» nicht vor einer etwaigen Einlassung des Angeklagten.

«Außerdem haben wir gar kein CD-Laufwerk», sagten die Rechtsanwälte übereinstimmend.

Die Vorsitzende Richterin Dr. Büch-Schmitz kündigte an, den Rechtsanwälten Klein und Küster während der Pause ein CD-Laufwerk auszuleihen. Allerdings gebe es wohlmöglich Kompatibilitätsprobleme beim Verbinden des externen CD-Laufwerks mit dem USB-Anschluss des Apple MacBooks der Verteidigung.

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Dokumentiert: Mitteilung des Landgerichts Bad Kreuznach

Die Staatsanwaltsanwaltschaft Bad Kreuznach wirft einem 50 Jahre alten, nicht vorbestraften, derzeit in der JVA Rohrbach in Untersuchungshaft befindlichen Angeklagten aus Idar-Oberstein den unerlaubten Besitz einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition in Tateinheit mit dem unerlaubten Besitz einer Schusswaffe (Fall 1) sowie einen Mord unter dem Gesichtspunkt der Mordmerkmale der Heimtücke und der sonstigen niedrigen Beweggründe in Tateinheit mit dem unerlaubten Führen einer Schusswaffe (Fall 2) vor.

Fall 1:

Der Angeklagte soll im Zeitraum von 2014 bis zum 18.09.2021 in seinem Haus in Idar-Oberstein einen Revolver Smith & Wesson, Modell 686, Kaliber 357 Magnum, sowie eine Pistole Ceska 1945, Kaliber 6,35 mm Browning jeweils ohne die hierfür erforderliche waffenrechtliche Erlaubnis verwahrt haben. Der Angeklagte soll sich hierbei bewusst gewesen sein, nicht im Besitz der erforderlichen waffenrechtlichen Erlaubnis für die Schusswaffe und die halbautomatische Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition zu verfügen.

Fall 2:

Am 18.09.2021 soll sich der Angeklagte um 19:48 Uhr zu der Aral-Tankstelle in der Hauptstraße in Idar-Oberstein begeben haben, um zwei Sechserträger Bier zu kaufen. Er soll den Verkaufsraum betreten haben, ohne die vorgeschriebene Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Als der Angeklagte das Bier an der Kasse habe bezahlen wollen, soll der 20 Jahre alte Tankstellenmitarbeiter den Angeklagten auf seine Maskenpflicht hingewiesen haben. Nach einer kurzen Diskussion mit dem Angeklagten soll der Tankstellenmitarbeiter den Verkauf des Bieres an den Angeklagten verweigert haben, woraufhin der Angeklagte die Tankstelle verlassen haben soll.

Im Anschluss daran soll der Angeklagte, nachdem er um 20:00 Uhr in einer anderen Tankstelle Bier erworben haben soll, zunächst nach Hause gefahren sein. Zu Hause soll er sich immer mehr über die Situation in der Aral-Tankstelle geärgert haben und zu dem Schluss gekommen sein, dass er diese nicht auf sich beruhen lasse könne, sondern zeige müsse, dass es Grenzen gebe. Der Angeklagte soll sich seit langem durch die zur Bekämpfung der Corona-Pandemie angeordneten Beschränkungen belastet gefühlt haben und beschlossen haben, ein Zeichen zu setzen. Den Mitarbeiter der Aral-Tankstelle in Idar-Oberstein soll der Angeklagte als mitverantwortlich für die Gesamtsituation angesehen haben, weil dieser die Corona-Regelungen habe durchsetzen wollen.

In Ausführung dieses Entschlusses soll der Angeklagte den mit mehreren Patronen geladenen Revolver Smith & Wesson, Modell 686, Kaliber 357 Magnum eingesteckt haben und nochmal zu der Aral-Tankstelle in Idar-Oberstein gefahren sein. Der Angeklagte soll sich hierbei bewusst gewesen sein, nicht über die zum Führen des Revolvers erforderliche waffenrechtliche Erlaubnis zu verfügen.

Um 21:19 Uhr soll der Angeklagte erneut den Verkaufsraum der Aral-Tankstelle in der Hauptstraße in Idar-Oberstein betreten haben. Er soll zunächst einen Sechserträger Bier genommen haben und mit diesem zur Kasse gegangen sein. Als der Angeklagte an der Reihe gewesen sei zu bezahlen, soll er die bis zu diesem Zeitpunkt von ihm noch getragene Mund-Nasen-Bedeckung heruntergezogen haben, um eine Reaktion des 20-jährigen Tankstellenmitarbeiters zu provozieren. Der Tankstellenmitarbeiter soll den Angeklagten aufgefordert haben, die Maske hochzuziehen. Der Angeklagte soll daraufhin den Revolver aus seiner Hosentasche gezogen haben, diesen auf den 20-jährigen Tankstellenmitarbeiter gerichtet haben und dem 20-jährigen Tankstellenmitarbeiter aus kurzer Distanz mit dem Revolver in Tötungsabsicht in das Gesicht geschossen haben. Der 20-jährige Tankstellenmitarbeiter soll infolge des Kopfschusses zu Boden gefallen sein und vor Ort sofort an einem zentralen Regulationsversagen verstorben sein.

Nach der Schussabgabe soll der Angeklagte die Maske wieder über Mund und Nase gezogen haben und die Tankstelle verlassen haben.

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