Gastbeitrag-Gau: Wie eng sind Mathias Döpfner und Martin Varsavsky mit Elon Musk?

Published On: 14. Januar 2025

Am 28.12.2024 erschien in der «Welt am Sonntag» («WamS») ein «Gastbeitrag» von Elon Musk unter dem Titel: «Warum Elon Musk auf die AfD setzt: Nur die Alternative für Deutschland könne das Land grundlegend reformieren».

«WamS» ist ein Angebot der Axel Springer Deutschland GmbH und deren Gesellschafterin ist die Axel Springer SE, dessen Vorstandsvorsitzender Mathias Döpfner «Musks Beitrag zur Verbesserung der Welt» lobte, als er ihm 2020 den Axel Springer Award verlieh; für Musks «große Visionen und absoluten Wille zur Umsetzung».

Urheber: Liam West/Lightly Salted. Nutzung des Pressefotos via Axel Springer SE

«WamS» publizierte auf Seite 9 lediglich einen kurzen Hinweis neben Musks «Gastbeitrag»: «Kurz vor Weihnachten sorgte ein Post von Elon Musk auf seiner Plattform X für eine Kontroverse. Demnach könne nur die AfD den Abstieg Deutschlands verhindern. In einem Text, den der Unternehmer Musk WELT AM SONNTAG zur Verfügung stellte, versuchte er, diese Aussage zu begründen.» Jedoch legte «WamS» ihren Lesern nicht offen, wie eng Musk mit Döpfnern und anderen Springer-Kadern ist und welche gemeinsamen geschäftlichen Interessen und Ziele sie miteinander verbindet.

  1. Musk ist der Vorsitzende und Chief Technology Officer der X Corp, zuvor bekannt als Twitter. «Döpfner wollte Twitter für…Musk managen…Die Beweisstücke…zeichnen nach, wie Musks innerer Zirkel in den Wochen vor und nach der überraschenden Offerte versuchte, Einfluss auf den Deal zu nehmen. Darunter ist…Döpfner… Am 30. März 2022 fragt Döpfner Musk per SMS: ‹Warum kaufst du nicht Twitter?›. Und er schlägt ihm gleich noch ein Geschäft vor: ‹Wir managen es für dich›» («DER SPIEGEL»). Am 30.09.2022 berichtete «manager magazin»: «Wie Springer-Chef Döpfner Elon Musk umgarnte…Klar, dass sich diese Übernahme auch für Döpfner auszahlen sollte. Daher hat er den Protokollen zufolge dem Unternehmer angeboten, Twitter für ihn zu managen… Musk habe die Idee ‹interessant› gefunden. Döpfner habe kurze Zeit später erwidert: ‹Ich meine das ernst.›…Wenige Tage nach dem Austausch, am 4. April, gibt Musk dann tatsächlich seinen Einstieg bei Twitter bekannt. Auch der Springer-Chef meldet sich … wieder zu Wort: ‹Gratulation zum Twitter-Investment. (…) Sollen wir diskutieren, ob wir bei dem Projekt mitmachen sollten?› Die beiden Unternehmer verabreden den Protokollen zufolge ein Treffen». Döpfners Nachrichten an Musk sind archiviert.
  2. Am 05.07.2023 berichtete «FINANCIAL TIMES» über Döpfners Geburtstagsparty mit Musk: «Der größte Name auf der Kostümparty war Elon Musk, den der Axel-Springer-Chef im vergangenen Jahr dazu drängte, Twitter zu kaufen» («Inside a media mogul’s 60th birthday bash»). Und am 11.01.2024 berichtete «FINANCIAL TIMES» über «Döpfner, der im vergangenen Jahr seinen 60. Geburtstag auf einer Party in der Toskana feierte, zu der auch Elon Musk gehörte» («Politico and Bild owner pays €776mn in dividends to investors including KKR and CEO Döpfner»). «DER SPIEGEL» ergänzte über Musks Teilnahme an Döpfners 60. Geburtstag: «Er war dabei nach SPIEGEL-Informationen nicht allein: Als Begleitung habe er die rechtsradikale, niederländische Influencerin Eva Vlaardingerbroek eingeflogen, bekannt als Reporterin des rechtspopulistischen Portals ‹Nius› und politische Aktivistin. Regelmäßig verbreitete sie rechtsextreme Verschwörungsmythen, etwa über den vermeintlichen ‹Großen Austausch›. Auch sie habe mit Döpfner gefeiert, heißt es.»
  3. Am 14.09.2024 berichtete «FINANCIAL TIMES»: «Döpfner, der … mit Elon Musk eine Freundschaft geschlossen hat, möchte seine Präsenz auf dem englischsprachigen Medienmarkt, insbesondere in den USA, ausbauen.» («Axel Springer and KKR near deal on €13.5bn break-up»)
  4. Am 30.10.2022 berichtete «FINANCIAL TIMES»: «Döpfner, Vorstandsvorsitzender des deutschen Medienkonzerns Axel Springer, schrieb Musk sogar einen detaillierten Vorschlag für eine ‹echte Plattform der freien Meinungsäußerung›». («‹Mischief and delay›: How Musk and Twitter finally sealed the deal»)
  5. Am 17.09.2025 berichtete «FINANCIAL TIMES»: «Döpfner … freundete sich auch mit X-Eigentümer Elon Musk an.» («Apollo goes after Wall Street’s core»)
  6. Und am 21.04.2023 berichtete «FINANCIAL TIMES», «daß Döpfner…Elon Musk zum Kauf von Twitter gedrängt hatte, kurz bevor das Übernahmeangebot des Tesla-Chefs für das Social-Media-Unternehmen öffentlich wurde.» («Mathias Döpfner becomes the story: the return of scandal at Axel Springer»).
  7. Am 27. 01.2025  treffen sich «Top-Entscheider aus Wirtschaft und Politik» zum «WELT»-Wirtschaftsgipfel, an dem neben der AfD-Bundesvorsitzenden Alice Weidel auch Elon Musk teilnehmen könnten: «Bereits im vergangenen Herbst soll Axel Springer darum geworben haben, den Milliardär wieder bei sich begrüßen zu dürfen», berichtet «DER SPIEGEL». Demnach wäre die Anfrage zur Teilnahme an Musk vor Erscheinen des «Gastbeitrags» erfolgt. Anbieterin des «WELT»-Wirtschaftsgipfels ist die Media Impact GmbH & Co. KG, deren Gesellschafterin Media Impact Management GmbH ist eine Tochter der Axel Springer SE.
  8. Musk ist auch Chief Executive Officer der Tesla, Inc. «Bei der Verleihung des ‹Goldenen Lenkrads› – einer Auszeichnung von Springers ‹Bild›-Gruppe – ließ der Konzern dafür einen Cybertruck von Musks E-Autofirma Tesla, der in Deutschland sonst gar nicht für den Straßenverkehr zugelassen ist, vor das Axel-Springer-Haus stellen», berichtet «DER SPIEGEL». «WELT»-Journalist Dietmar Deffner posiert am 07.11.2024 auf Instagram mit Teslas Cybertruck vor dem Springer-Haus. Die «BILD»-Gruppe verlieh Teslas Cybertruck den Preis für das «Coolstes Auto». In der Pressemitteilung der Axel Springer SE heißt es dazu: «Tesla hat mit dem Cybertruck das wohl coolste Auto.»
  9. Moritz Döpfner, Sohn von Mathias Döpfner, ist Büroleiter von Peter Thiel, Gesellschafter von Palantir Technologies, sowie Mentor und Geschäftspartner von Musk, designierter Amtsträger der künftigen Administration von US-Präsident Donald Trump (s.a.: «Döpfners Sympathie für MAGA-Träger Schöndienst», in: «manager magazin»). Musk und Thiel finanzierten Trumps Präsidentschaftswahlkampf: «Wie Elon Musk und Peter Thiel politisch Einfluss nehmen. Beide Tech-Milliardäre unterstützen Donald Trump kurz vor der Wahl.» («Handelsblatt»)
  10. Alexander Karp, CEO von Palantir Technologies, saß im Aufsichtsrat der Axel Springer SE, dessen Vorsitzender Mathias Döpfner ist. Palantir Technologies ist Geschäftspartner der Axel Springer SE.

«WamS» legte ihren Lesern auch nicht offen, wie eng Martin Varsavsky und Elon Musk sind

Der Tech-Investor Martin Varsavsky, Mitglied des Aufsichtsrats der Axel Springer SE, schrieb am 01.01.2025 auf X: «Als Freund von Elon und Aufsichtsratsmitglied von Axel Springer sah ich seine öffentliche Unterstützung der AfD…Ich wandte mich an Jennifer Wilton, die Chefredakteurin von Die Welt, um herauszufinden, ob sie an einem Leitartikel von Elon zu diesem Thema interessiert wäre. Nach sorgfältiger Überlegung stimmte sie zu, dass ein solcher Artikel einen erheblichen Nachrichtenwert hätte und eine Veröffentlichung wert wäre. Dann wandte ich mich an Elon…Ihm gefiel die Idee, er schrieb den Artikel und Die Welt veröffentlichte ihn.»

«Wahr», bestätigte Musk die Angaben von Varsavsky.

Daß mit Varsavsky ein hochrangiges Mitglied des Aufsichtsrates der Axel Springer SE den «Gastbeitrag» initiierte, ist ein Eingreifen von ganz oben in die redaktionelle Arbeit. «Dass es sich ohne Kenntnis und Zustimmung des Springer-Vorstandschefs Mathias Döpfner vollzogen haben könnte, halten wir freilich für undenkbar. Sich mit Musk gut zu stellen, passt zu Springers und Döpfners Streben, im internationalen Mediengeschäft in der ersten Liga mitzuspielen, besonders in den USA», kommentiert die «F.A.Z.».

Und DJV-Chef Beuster fragt: «Warum wurden so viele journalistische rote Linien überschritten, auf Initiative und Druck eines Aufsichtsrats der Musk-Beitrag durchgewinkt? Welche Interessen stecken dahinter? Auf diese Fragen braucht es Ant­worten. Diese zu recherchieren ist Auf­gabe von Journalismus.»

Der Vorgang empört auch den «MEDIENINSIDER»: «Die Aufgabe eines Aufsichtsrates ist relativ einfach erklärt: Wer im Kontrollgremium eines Unternehmens sitzt, trägt Sorge dafür, dass allen voran das Management sauber arbeitet und die Unternehmensstrategie gewissenhaft umgesetzt wird – ins operative Geschäft einzugreifen, steht den Kontrolleuren hingegen nicht zu … Schon allein der Eindruck, ein Aufsichtsratsmitglied – das im Hauptjob ganz anderen Tätigkeiten nachgeht – könnte Einfluss auf operative oder gar redaktionelle Prozesse nehmen, sollte genauso dringend vermieden werden wie der Eindruck, dass sich eine Chefredaktion dem nicht widersetzen kann.»

Tanjev Schultz, Professor für Journalismus I (Grundlagen und Strategien) am Journalistisches Seminar der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, bewertet die Rolle von Musk-Freund, Investor und Springer-Aufsichtsrat Martin Varsavsky gegenüber Stefan Fries im Deutschlandfunk: Die innere Pressefreiheit, die Trennung zwischen Redaktion und Verlag «gilt auch hier für so ein Aufsichtsrat…jemand, der sich ja auch als Freund von Elon Musk bezeichnet, direkt die Chefredaktion kontaktiert…halte ich das schon auch für einen Verstoß gegen das Gebot der Trennung…es ist ja auch die Frage, ob nicht auch dieses besagte Aufsichtsratsratsmitglied, das sich ja als Freund dargestellt hat und eben auch als Investor aktiv ist auf dem amerikanischen Markt, auch eigene Interessen hat, diese Nähe zu Musk immer wieder herzustellen und zu suchen…Für Springer ist der amerikanische Markt äußerst bedeutsam, ein strategisch extrem wichtiges Vorhaben dort Fuß zu fassen…So gesehen könnte es da sehr wohl einen Interessenkonflikt geben.» (transkribiert vom gesprochenen Wort)

Musks «Gastbeitrag» führte zu einem Aufstand in der Redaktion. Mehrere «WELT»-Journalisten protestieren auf X gegen die Publikation und dies trotz Drohungen durch Ulf Poschardt, bis Ende 2024 Chefredakteur der «WELT»-Gruppe und seit Anfang 2025 deren Herausgeber. DER SPIEGEL berichtet: «Am Freitag, 27. Dezember, ging es in der Redaktionssitzung um zehn Uhr heiß her. Als mehrere Journalisten und Journalistinnen erklärten, sich im Falle einer Veröffentlichung online von dem Beitrag zu distanzieren, soll Poschardt gedroht haben, sie müssten dann ‹mit den Folgen leben›, wie Teilnehmer berichten.» Diese zehn Journalisten sind bereit, «mit den Folgen zu leben»:

  1. Eva Marie Kogel, Ressortleiterin Meinung: «Ich habe immer gerne das Meinungsressort von WELT und WAMS geleitet. Heute ist in der Welt am Sonntag ein Text von Elon Musk erschienen. Ich habe gestern nach Andruck meine Kündigung eingereicht.»
  2. Alexander Dinger, Investigativ-Chef: «‹Wir müssen gemeinsam mit unseren Freunden und Partnern die Einigung Europas unumkehrbar machen.› Ich persönlich halte die Veröffentlichung einer Wahlempfehlung für eine Partei, die genau das infrage stellt, für fatal.»
  3. Frederik Schindler, Politikredakteur und Kolumnist: «Die Veröffentlichung eines AfD-Wahlaufrufs halte ich persönlich für falsch.»
  4. Ulrich Kraetzer, Reporter: «…diesen Gastbeitrag zu drucken. Aus meiner Sicht hätte man es einfach sein lassen können – bzw. sein lassen müssen.»
  5. Hans-Martin Tillack, Reporter Investigativ (kündigte wegen der Veröffentlichung des «Gastbeitrags»): «Ich teile die Meinung von @Ulrich_Kraetzer und vielen anderen Kolleginnen und Kollegen, dass es ein großer Fehler der @welt war, einen Quasi-Wahlaufruf für die großenteils rechtsextremistische AfD zu veröffentlichen.»
  6. Deniz Yücel, Journalist: «Kollateralschaden IV: die Redaktion.»
  7. Philipp Vetter, Wirtschaftskorrespondent: «Zur Meinungs- und Pressefreiheit gehört auch, dass man nicht jede Meinung verbreiten MUSS. Man kann auch zu dem Ergebnis kommen, dass es uninformierter Unsinn ist, der die Zerstörung der Institutionen zum Ziel hat. Dann lässt man es.»
  8. Alfred Hackensberger, War and Crisis Correspondent: «Wenn eh klar ist, dass Elon #Musk mit der #AfD völlig falsch liegt, warum gibt man ihm dann auch noch Raum, seine irrige Meinung  kund zu tun?»
  9. Lennart Pfahler, Reporter Investigativ: «Dieser Text ist ein Armutszeugnis.»
  10. Claus C. Malzahn, Reporter: «Man hätte natürlich auch ein Interview führen können. Nachfragen, nachdenken, nachhaken, so hab ich das noch gelernt. Über Deutschland und die ‹Weld› weiß Musk weit weniger, als er glaubt.»

Und eine Redakteurin positionierte sich in einem redaktionellen Beitrag gegen die Veröffentlichung:

  • Franziska Zimmerer, Ressortleiterin Community & Social der «WELT», schreibt auf «WELT»-Online: «Warum ich diesen Beitrag nicht gedruckt hätte…Viele Kollegen argumentierten gegen eine Veröffentlichung, so auch ich…Dieser Text hätte nicht erscheinen dürfen…Wahlaufrufe, egal für welche Partei, haben in unabhängigen Medien nichts zu suchen…Jedem WELT-Autor wäre so ein ‹Text› zurückgegeben worden mit der Aufforderung, mal etwas nachzudenken und Argumente zu finden. Kein Mächtiger steht über dem Gesetz des Redigats…Der unabhängige Journalismus hat ein grundsätzliches Problem, das offenbart die Veröffentlichung dieses Gastbeitrags.»

Auch Journalisten-Verband protestierte gegen die Publiaktion

  • Sogar der Deutsche Journalisten-Verband (DJV), im dem viele «WELT»-Journalisten organisiert sind, stellte sich mit einer Pressemitteilung gegen die Veröffentlichung des «Gastbeitrags»: «Ein einordnender Text von Jan Philipp Burgard … relativiert obendrein den vom Verfassungsschutz begründeten Rechtsextremismus-Vorwurf gegen die AfD. ‹Die Verantwortlichen der ‹Welt› haben alles falsch gemacht, was man falsch machen kann›, kritisiert DJV-Bundesvorsitzender Mika Beuster: ‹Als Journalismus verpackte Wahlwerbung für eine rechtsextreme Partei, eine schmeichelnde Distanzierung, die keine ist, und das Kaltstellen der redaktionsinternen Kritiker›.

Der DJV-Vorsitzende ruft alle Redaktionen auf, sich im Bundestagswahlkampf nicht instrumentalisieren zu lassen und extrem sorgfältig mit Gastbeiträgen umzugehen. ‹Deutsche Medien dürfen sich nicht als Sprachrohr von Autokraten und deren Freunden missbrauchen lassen.›»

Der Branchendienst «MEDIENINSIDER» meint: «Der Umgang der Führungsriege mit dem Gastbeitrag wirft Fragen nach der redaktionellen Integrität auf.»

«MEDIENINSIDER» liege nach eigenen Angaben ein Schreiben vor des Redaktionsausschusses, der sich 2023 gegründet hat, um für die redaktionelle Unabhängigkeit «DER WELT» einzutreten. Das Gremium war eine Reaktion auf die geleakten SMS von Döpfner, der mithilfe des Schwesterblatts «BILD» die FDP stärken wollte («DIE ZEIT»).

«DER SPIEGEL» berichtete: «Eine erste Mail, in der Redakteure darum baten, den Beitrag nicht zu veröffentlichen, erreichte die Chefredaktion am zweiten Weihnachtstag. Die Botschaft wurde von insgesamt mehr als 50 Mitgliedern der Redaktion aus nahezu allen Bereichen unterschrieben. Abgeschickt wurde die erste Mail vom Account des Redakteurs Frederik Schindler, der für die ‹Welt› unter anderem über die AfD und rechte Politik berichtet.»

Laut «MEDIENINSIDER» heiße es im Schreiben des Redaktionsausschusses: «Der Artikel widerspreche nicht nur den intern geführten Diskussionen im Umgang mit der AfD, sondern stehe ‹auch im krassen Widerspruch zu den Essentials von Axel Springer›, nach denen die Journalisten des Hauses ‹politischen und religiösen Extremismus und jede Art von Rassismus› ablehnen…

‹Die Veröffentlichung eines solchen Textes ohne vorherige intensive Diskussion innerhalb der Redaktion halten wir für absolut nicht tragbar und distanzieren uns im Namen des Redaktionsausschusses von einer solchen Veröffentlichung, sollte sie erfolgen.›

Verhindern konnte das weder der eindringliche E-Mail-Appell an die Chefredaktion, noch ein anschließendes Krisentreffen zwischen der Führungsriege und dem Ausschuss, das am Donnerstagabend stattgefunden haben soll… Das wurde nicht nur im Schreiben des Ausschusses deutlich,…sondern auch in mehreren redaktionellen Runden, in der das Vorgehen scharf kritisiert wurde…, darunter Investigativchef Tim Röhn, Autorin Caroline Turzer, der zukünftige Politik-Chef Klaus Geiger…

‹Diese AfD-Propaganda ist unserer Auffassung nach nicht geeignet für ein Pro & Contra›, schreibt der Ausschuss… Unter … Kritikern aus den eigenen Reihen soll sich mit Robin Alexander auch ein Mitglied der Chefredaktion befunden haben. In mehreren Runden sowie schriftlich soll er sich kritisch über die Pläne und den Gastbeitrag geäußert haben. Der stellvertretende Chefredakteur soll dabei angemerkt haben, dass es keinen inhaltlichen Grund gebe, den Artikel zu veröffentlichen und die Redaktion das Recht habe, ihn abzulehnen».

«MEDIENINSIDER» berichtete in einem weiteren Bericht ausführlicher über Alexanders Protest: «So soll er sich in einer Rundmail, in der er Ulf Poschardt und Jan Philipp Burgard angesprochen hatte, für die Bedenken der Mitarbeiter stark gemacht haben. Zwar soll er auf die interne Debatte innerhalb der Chefredaktion mit ihrem Ergebnis verwiesen haben. Gleichwohl erklärte er, dass der deutliche Protest inklusive der Liste eine neue Qualität in die Debatte über den Umgang mit dem Musk-Text bringe. Dabei soll Alexander auf die Bedeutung der Journalisten für die Welt hingewiesen haben, dass dies immerhin die eigenen Leute seien, die auch die Welt seien. Seine E-Mail soll er mit einem klaren Appell beendet haben, den Beitrag nicht zu bringen.»

Über Ulf Poschardt berichtete «MEDIENINSIDER», er soll sich «in der Redaktionskonferenz am Freitag sowohl inhaltlich als auch organisatorisch vom Beitrag distanziert haben … Poschardt habe erklärt, mit dem Inhalt des Texts nicht übereinzustimmen, allerdings habe er den Artikel aber auch nicht bestellt, so der Vorsitzende der Chefredaktion laut Teilnehmern. Wiederholten Nachfragen soll er unter anderem mit dem Argument des Quellenschutzes ausgewichen sein».

Die «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» berichtete, wie sich der alte und der neue Chefredakteur der «WELT»-Gruppe nach der Veröffentlichung des «Gastbeitrags» positionierten: «Der noch amtierende Chefredakteur der ‹Welt›-Gruppe, Ulf Poschardt und sein Nachfolger Jan Philipp Burgard verteidigen das Vorgehen in einer gemeinsamen Stellungnahme, die der F.A.Z. vorliegt: ‹Die aktuelle Diskussion um den Text von Elon Musk› sei ‹sehr aufschlussreich. Demokratie und Journalismus leben von Meinungsfreiheit.› Dazu gehöre es, sich mit polarisierenden Positionen auseinanderzusetzen und diese journalistisch einzuordnen. ‹Das wird auch künftig den Kompass der ‹Welt› bestimmen. Wir werden ‹Die Welt› noch entschiedener als Forum für solche Debatten entwickeln›, so die Chefredakteure.»

Auf LinkedIn teilte Poschardt einen Kommentar des Rechtsanwalts Joachim Steinhöfel, dessen Kanzlei die VIUS SE & Co. KGaA vertritt. Darin heißt es, nur «Feinde des freiheitlichen Staates» würden den Abdruck von Musks Kommentar kritisieren. «Man sollte sich ihre Namen merken.» Poschardt demonstriere bereits 2022 auf X seine Zuneigung für Musk: «I ❤️ @elonmusk»

Über Poschardt und Burgard hinaus, beruft sich «MEDIENINSIDER» auf weitere leitende Redakteure der «WELT»-Gruppe: «Distanziert soll sich auch Jacques Schuster haben, in dessen Zuständigkeit als WamS-Verantwortlicher der Artikel fällt. In einer weiteren Runde soll er zur Verantwortlichkeit aber erklärt haben, dass die Initiative für den Beitrag auf Welt-Chefredakteurin Jennifer Wilton zurückgehe».

Kaum einer der Gesprächspartner von «MEDIENINSIDER» glaube, «dass die Welt-Chefin bei einem solchen Vorhaben ohne jegliche Absprachen loszieht. Konfrontiert wurde sie mit dem Verdacht nicht, zumindest nicht in großen Runden».

«DER SPIEGEL» berichtete am 28.12.2024 über die Entstehung des Beitrags: «Eingefädelt hat den Gastbeitrag offenbar Mathias Döpfner».

Die «Süddeutsche Zeitung» berichtete am 30.12.204 hingegen: «Die Genese des Textes begann mit Musks Post auf seinem Kurznachrichtendienst X vom 20. Dezember, als er zu einem Video der rechten Internetpublizistin Naomi Seibt schrieb: ‹Nur die AfD kann Deutschland retten›. Anruf beim Welt-Chefredakteur. Laut Ulf Poschardt fragte eine Redakteurin der Welt-Gruppe, die nicht genannt werden will, daraufhin bei Musk an, ob er das nicht näher erläutern wolle.»

Die Publikation von Musks Wahlwerbung für die AfD verletzt die Pressefreiheit und der Unabhängigkeit der Redaktion. Der Deutschen Presserat prüft daher den «Gastbeitrag» in der «WamS».

  • In der Präambel des Pressekodex heißt es: «Verleger, Herausgeber und Journalisten müssen sich bei ihrer Arbeit der Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit und ihrer Verpflichtung für das Ansehen der Presse bewusst sein. Sie nehmen ihre publizistische Aufgabe fair, nach bestem Wissen und Gewissen, unbeeinflusst von persönlichen Interessen und sachfremden Beweggründen wahr.»
  • Ziffer 6 verlangt: «Journalisten und Verleger üben keine Tätigkeiten aus, die die Glaubwürdigkeit der Presse in Frage stellen könnten.»
  • Richtlinie 6.1 lautet: «Übt ein…Verleger neben seiner publizistischen Tätigkeit eine Funktion, beispielsweise in einer Regierung, einer Behörde oder in einem Wirtschaftsunternehmen aus, müssen alle Beteiligten auf strikte Trennung dieser Funktionen achten.»
  • Und in Ziffer 7 steht: «Bei Veröffentlichungen, die ein Eigeninteresse des Verlages betreffen, muss dieses erkennbar sein.»

«DER SPIEGEL» berichtete: «Aus der Redaktion der ‹Welt› heißt es, es komme durchaus vor, dass Döpfner beim Führungspersonal seiner Zeitung anrufe, um Artikel nach seinen Wünschen im Blatt unterzubringen.» In mindestens zwei Fällen nutzte Döpfner bereits die Redaktionen seines Verlags für eigene Interessen:

  1. Kurz vor der Bundestagswahl 2021 wies Döpfner den «BILD»-Chefredakteur Julian Reichelt an, positiv über die FDP zu berichten: «Please stärke die FDP»! und «Können wir für die nicht mehr tun?». Auf die Aufforderungen folgte positive FDP-Berichterstattung in der «BILD»-Zeitung («DIE ZEIT»).
  2. Und am 15.09.2022 berichtete «FINANCIAL TIMES»: «Mathias Döpfner orchestrierte Berichte gegen Unternehmen, das Mieten pausierte, ohne sein Interesse offenzulegen. Der Vorstandsvorsitzende von Axel Springer nutzte sein auflagenstärkstes Boulevardblatt, um gegen die Entscheidung von Adidas zu kämpfen, während der Coronavirus-Pandemie keine Mietzahlungen mehr zu leisten – ohne jedoch offenzulegen, dass er der Vermieter des Unternehmens ist…Im März und April 2020 veröffentlichte Springers Boulevardblatt Bild mehr als 20 Artikel, in denen Adidas wegen eines geplanten Mietstopps während des ersten Lockdowns kritisiert wurde. Andere Einzelhändler mit ähnlichen Maßnahmen, darunter H&M, Ceconomy, Deichmann und Puma, erhielten deutlich weniger Aufmerksamkeit. Die Berichterstattung löste einen landesweiten Aufschrei aus, der darin gipfelte, dass ein Abgeordneter ein Adidas-Shirt verbrannte und einen Clip davon in den sozialen Medien veröffentlichte. Während ihrer Kampagne verschwieg Bild, dass der Konzernchef ein betroffener Vermieter von Adidas und die Quelle der ursprünglichen Geschichte war.» Gemeint ist der SPD-Bundestagsabgeordnete Florian Post, der nach Erscheinen der BILD-Berichte sein Adidas-T-Shirt verbrannte. («Axel Springer boss was landlord to Adidas during campaign against sports brand»)
  • Der Deutsche Presserat konnte Döpfner aufgrund der Vorgänge nicht sanktionieren, weil sie nach dem Bekanntwerden jeweils älter als ein Jahr und somit verjährt waren.

Wurde Elon Musks Pro-AfD-Artikel von einer KI geschrieben?

«DER TAGESSPIEGEL» berichtete übrigens über den «Gastbeitrag» von Elon Musk: «Beauftragt man nämlich sein Sprachmodell Grok damit, einen Meinungsartikel für eine konservativ eingestellte Zeitung zu schreiben, der zeigt, warum nur die AfD Deutschland retten könne, spuckt das Programm einen Text aus, der Musks ‹Welt›-Beitrag zum Verwechseln ähnelt.»

«WELT»-Autor Musk schmäht «The Guardian»

Wie sehr der «WELT»-Autor Musk andere Zeitungen schmäht, zeigt er kurz nach Veröffentlichung seines «Gastbeitrags» am Beispiel «The Guardian». Laut Musk «ein Nest pädophiler Apologeten».

Musk publizierte 2022 «Gastbeitrag» in Propaganda-Organ der chinesischen Internet-Zensur-Behörde

  • Ein «Gastbeitrag» von Elon Musk erschien bereits 2022 in «China Cyberspace» (CC), dem Monatsmagazin der Cyberspace Administration of China (CAC), der zentralen Agentur für Internetkontrolle und -regulierung.

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