Der italienische Autor Giorgio Agamben vergleicht die Corona-Maßnahmen mit dem Hitler-Regime, spricht von einem «genozidalen Corona-Staatsstreich» und sagt über die COVID-Impfung: «Die wahre Zahl der Getöteten liegt viel höher als die offizielle.»

Wer eine solche Einstellung hat, passt hervorragend zum Querdenker-Kampflblatt «Demokratischer Widerstand», das Agamben herausgibt und regelmäßig auch mit Beiträgen und Interviews füllt. Seit dem 17.04.2020 ist Agamben der Herausgeber von 109 Ausgaben der Zeitung, die Jens Spahn auf der Titelseite als «kokainsüchtig» verunglimpft.

Die Zeitung von Agamben, mit dem sich auch schon die Staatsanwaltschaft Berlin beschäftigt hat, ist mit «einer Gesamtauflage von über 20 Millionen in 100 Ausgaben» erschienen und wird vom Deutschen Historischen Museum und der Deutschen Nationalbibliothek gesammelt.

Agambens Bücher werden in Deutschland von vier renommierten Verlagen veröffentlicht: Suhrkamp, Fischer, Merve sowie Matthes & Seitz. Auf der Frankfurter Buchmesse war es möglich, mit Verlegern von Agamben ins Gespräch zu kommen.

Im S. Fischer Verlag in Frankfurt sind neun Bücher von Agamben erschienen, zuletzt «Die Macht des Denkens» am 28.10.2020, da hat Agamben bereits 24 Ausgaben des Querdenker-Kampfblatts «Demokratischer Widerstand» herausgegeben. Heidi Borhau, Presseleitung Sachbuch der S. Fischer Verlag GmbH sagt, sie wolle nichts zu Agamben sagen, weil er gerade kein neues Buch in ihrem Verlag habe und der Schwerpunkt dieses Jahr auf Spanien liege. Man müsse über die Universität von Agamben gehen, wenn man eine Presseanfrage an ihn richten wolle, sagt Borhau.

Bei Suhrkamp in Berlin sind 15 Bücher von Agamben erschienen. Auf die unsäglichen Äußerungen von Agamben angesprochen, erwidert Dr. Jonathan Landgrebe, Vorstand der Suhrkamp Verlag AG, er wisse davon nichts und er könne nur kommentieren, was ein Autor bei Suhrkamp veröffentlicht habe, aber nicht, was woanders publiziert worden sei. Dr. Landgrebe weist darauf hin, daß es schon lange her sei, daß Agamben bei Suhrkamp publiziert habe. In diesem Punkt ist Dr. Landgrebe zweifelsfrei recht zu geben, denn das letzte Buch, das Suhrkamp von Agamben veröffentlichte, erschien 2012.

Der Merve Verlag in Leipzig hat bisher acht Bücher von Agamben veröffentlicht sowie eine kritische Replik auf Agamben von Daniel Falb («COVID und Lebensform»). In Kürze erscheint bei Merve zudem Agambens neuntes Buch «Wenn das Haus brennt». Tom Lamberty, Geschäftsführer und Gesellschafter der Merve Verlag GmbH, sagt, man dürfe einen langjährigen Autor nicht einfach so fallen lassen und müsse ihm auch in schweren Zeiten beistehen. Allerdings beobachtet Lamberty mit großer Sorge, wie Agamben mit Querdenkern gemeinsame Sache macht. «Agamben zerstört sich dadurch sein Werk», warnt Lamberty. Viel ausrichten könne er nicht, Agamben habe seinen eigenen Kopf und sei beratungsresistent. Die Kommunikation sei in den letzten Jahren auf ein Minimum geschrumpft, Agamben hab sich zurückgezogen und sei kaum erreichbar.

Ob es nun am Altersstarrsinn des 80-jährigen liegt oder an einer enthemmten Radikalisierung infolge der Pandemie, läßt sich von außen schwer sagen. Außer Frage steht, daß Verleger, Literatur-Kritiker, Feuilletonisten und befreundete Philosophen noch zu viel Respekt haben vor dem Lebenswerk von Agamben, um mit ihm zu brechen oder ihn offen anzugreifen. Wie lange Agamben geschont wird, hängt auch davon ab, wie er sich in Zukunft zu der Zeitung der Querdenker verhält und welche Pamphlete von ihm dort gedruckt werden.

Mitarbeiter der MSB Matthes & Seitz Berlin Verlagsgesellschaft mbH, die vier Bücher von Agamben veröffentlicht hat, das letzte 2020, wollten sich auf der Buchmesse nicht zu Agamben äußern. Eine schriftliche Presseanfrage wurde von Matthes & Seitz nicht beantwortet. Auch an den italienischen Ständen in Halle 4 wollte keiner der Verleger über Agamben sprechen. Einige bekamen Schnappatmung und kullerten mit den Augen, als sie auf Agamben angesprochen werden.