Axel Springer kündigte zu Recht Mitarbeiter, der sich nach dem 7. Oktober gegen Israel äußerte

Published On: 22. Mai 2024

Das Arbeitsgericht Berlin bestätigte die Probezeitkündigung eines Axel Springer-Azubis, der auf YouTube ein Video mit dem Titel «Wie entsteht eine Lüge?» über die Berichterstattung seines Arbeitgebers zum Angriff der HAMAS auf Israel am 7. Oktober publizierte. Um die Frage, ob seine Äußerungen durch die Meinungsfreiheit gedeckt seien, ging es in dem arbeitsrechtlichen Verfahren nicht.

Es ist das erste Mal, das vor dem Arbeitsgericht Berlin ein Verfahren gegen die Probezeitkündigung eines Auszubildenden mit Bezug zum 7. Oktober stattfindet. Bisher waren das vorrangig das Verwaltungsgericht und die Berliner Strafgerichte mit den Auswirkungen des HAMAS-Angriffs auf Israel befasst.

Kasem M. Raad verklagte heute vor dem Arbeitsgericht Berlin die Axel Springer National Media Mangagement GmbH, die seinen Ausbildungsvertrag kündigte, nachdem Raad sich von Israel distanzierte und Berichte der Springer-Medien als «Lüge» bezeichnete.

Der 20-jährige Libanese begann kurz vor dem 7. Oktober eine Ausbildung zum Mediengestalter im Hause Springer.

Nach dem Überfall der HAMAS auf Israel hisste Springer vor seinem Eingang die Israel-Flagge und publizierte auf seiner Internetseite ein Bekenntnis zu Israel. Deshalb fragte Raad in internen Kanälen, warum Axel Springer Israel unterstütze? Nach einigen Tagen fragte er im Intranet noch einmal nach, warum er keine Antwort erhalte? Das registriere sein Arbeitgeber mit Ungemach.

Raad ließen die Solidaritätsbekundungen seines Ausbilders für Israel keine Ruhe und er sprach darüber mit seiner Ausbildungsleiterin und mit dem Unternehmenssprecher Adib Sisani, der sich auf Anfrage nicht dazu äußern wollte.

Als Raad nach den Gesprächen sein Teams-Profi-Slogan «I don’t stand with Israel» änderte, kündigte Springer seine Ausbildung.

Tatsächlich sei erst nach der Publikation dieses Profil-Slogans bei Springer der Entschluss gefasst worden, das Ausbildungsverhältnis zu beenden, sagte Springers Syndikusrechtsanwältin Iris Renner. Denn der Slogan sei für jeden sichtbar gewesen, der das Profil von Raad in der Teams Anwendung aufgerufen habe und sei zudem mit Outlook synchronisiert gewesen.

Einen Tag später publizierte Raad noch ein YouTube-Video mit dem Titel «Wie entsteht eine Lüge?» mit Bildmaterial mehrerer Springer-Medien zu ihren Berichten über 40 Babies, die am 7. Oktober von der HAMAS in Israel geköpft worden seien.

Obwohl Raad die Berichterstattung seines Ausbilders auf YouTube öffentlich attackiert, betont er gegenüber dem Richter, daß er seine Ausbildung beenden möchte bei Springer. Zudem sagte der junge Libanese, dass er sich um seine berufliche Zukunft Gedanken mache.

Rechtsanwältin Miruna Xenocrat aus der Kanzlei WKK, die Raad vertritt, sagte der Kammer 37, die Kündigungen seien unwirksam, weil es es ein Recht auf freie Meinungsäußerung gebe. Raads Meinung negiere nicht das Existenzrecht Israel und sei nicht antisemitisch, verletze daher auch nicht den Grundsatz von Axel Springer, fest an der Seite von Israel zu stehen. Als Auszubildender solle Raad die Lernmöglichkeit haben, warum es Springer um uneingeschränkte Solidarität mit Israel gehe.

Springers Anwältin wies die Kammer darauf hin, daß Mitarbeiter im Unternehmen negativ und kontrovers auf Raads Äußerungen reagierten. Daraufhin haben ihm seine Vorgesetzten erklärt, weshalb Springer aus historischen Gründen eine starke Nähe und Unterstützung Israels in seine Grundsätze aufgenommen habe.

«Wir stehen zum Staat Israel und seinem Existenzrecht. Daher das Statement im Internet und die Flagge vor der Tür», stelle Springers Anwältin klar.

Das Profilbild und das Video, das Raad veröffentlichte, seien als «Provokation» deutbar, erläutert der Vorsitzende Richter am Amtsgericht Dr. Lampe. «Die Äußerungen des Klägers brachten Unruhe ins Unternehmen. Daher passt es im Ausbildungsverhältnis nicht zusammen. Diese Ausbildung wird so nicht funktionieren. Der Kläger wußte, worauf er sich einlässt. Es gab auch eine Einführungswoche, in der die Werte von Axel Springer vermittelt wurden. Wir reden von Axel Springer, dann weiß ich ja, wo ich hingehe als Auszubildender.», begründet der Richter seine Auffassung und versetzt sich in die Lage des Arbeitgebers: «Wir passen nicht zusammen, wenn Du sagst, wir lügen in unserer Berichterstattung. Nach sechs Wochen zum Ausbilder zu sagen, Du lügst, verdrehst die Fakten und arbeitest nicht korrekt, das ist besonders. Dann kann der Ausbilder sagen, wir glauben, Du passt nicht zu uns.»

In besagter Einführungswoche (vor dem 7. Oktober) sei von Springers Führungskräften gesagt worden, so Raad, daß alle bei Springer frei schreiben können und daß Axel Springer als Unternehmen keinen Einfluß habe auf die inhaltliche Arbeit der Mitarbeiter. Nach dem 7. Oktober jedoch habe das Unternehmen Einfluß ausgeübt auf die Journalisten, wie zu berichten sei. «Ihr könnt gern berichten, aber ihr braucht nicht zu lügen. Das gelogen wird, fand ich einfach mies», begründet Raad die Publikation seines Videos auf YouTube.

Die Anwältin von Springer bestreitet vor Gericht, daß Axel Springer lüge bzw. falsche Berichterstattung veröffentliche. Letztendlich war es der Streit um das YouTube-Video von Raad, das einer Einigung im Wege stand und so entschied die Kammer zugunsten von Springer. Damit verliert Raad seinen Ausbildungsplatz.

Anwesend im Saal 222 war die Vorsitzende Richterin am Arbeitsgericht Dr. Lina Voß, welche die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Christiane Seiler als Pressesprecherin vertrat.

Aus der Pressemitteilung des Arbeitsgerichts Berlin:

Der Auszubildende hatte im September 2023 eine Ausbildung zum Mediengestalter im Springer-Konzern begonnen. Nach dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 bekannte sich der Springer-Konzern eindeutig dazu, zu Israel zu stehen. Der Auszubildende stellte auf der Plattform Teams als Profilbild den Text «I don’t stand with Israel» ein. Auf
YouTube veröffentlichte er unter Verwendung von Bildmaterial seiner Arbeitgeberin ein Video mit dem Titel „Wie entsteht eine Lüge“ zur Berichterstattung der Arbeitgeberin über den Angriff der Hamas auf Israel.

Springer bewertete dies als Angriff auf seine Unternehmenswerte und sprach innerhalb der vereinbarten Probezeit zwei fristlose Kündigungen des Ausbildungsverhältnisses gegenüber dem Auszubildenden aus. Der Auszubildende beruft sich auf seine Meinungsfreiheit und ist der Auffassung, dass die Kündigungen gegen das Maßregelungsverbot des § 612a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verstießen.

Das Arbeitsgericht hat die erste Kündigung aufgrund einer fehlerhaften Betriebsratsanhörung für unwirksam erachtet, die zweite Kündigung jedoch für wirksam. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass das Ausbildungsverhältnis während der Probezeit jederzeit und ohne Verpflichtung zur Angabe eines Grundes gekündigt werden könne. Die Kündigung stelle auch
keine Maßregelung dar, sondern eine berechtigte Wahrnehmung der unternehmerischen Interessen. Die grundgesetzlich geschützte Meinungsfreiheit rechtfertige das bei YouTube eingestellte Video nicht.

Gegen das Urteil können beide Parteien Berufung bei dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg einlegen.

Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 22.05.2024, Aktenzeichen 37 Ca 12701/23.

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