Eisbären wichtiger als Solidarität mit Muslimen

Published On: 17. März 2019

Der wichtigsten Nachrichtensendung im RBB, der „Abendschau“, waren am 15. März 2019 Eisbären wichtiger als der Terror gegen Muslime. Die „Abendschau“ berichtete an diesem Tag über keine der vielen Solidaritäts-Aktionen und weiteren Berliner Reaktionen auf die Anschläge gegen Muslime in Neuseeland. Ich habe nach einer Beschwerde hierüber vom RBB die Antwort erhalten, daß die „Abendschau“ ausschließlich regionale Ereignisse und Diskussionen aufgreife.

07:19 Uhr: Die Bevollmächtigte des Landes Berlin beim Bund und Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement und Internationales, Sawsan Chebli, sagt: „Schwarzer Tag. 40 Tote bei Terrorangriff auf Muslime. Diese Menschen sind nicht Opfer eines einzelnen Mörders. Sie sind Opfer der weltweiten Stimmungsmache gegen den Islam u. Muslime. Meine Gedanken sind bei den Menschen in #Neuseeland. #Christchurch“.

11:39 Uhr: Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Herr Michael Müller, schreibt „Unsere besondere Solidarität gehört vor dem Hintergrund dieses menschenverachtenden Angriffs auf muslimische Gotteshäuser der islamischen Gemeinschaft und den Muslimen in unserer Stadt.“

Quelle Michael Müller

11:39 Uhr: Der Regierende Bürgermeister von Berlin Michael Müller erklärt offiziell durch sein Presseamt: „Ich bin mit den Berlinerinnen und Berlinern schockiert … Wir wissen aus unseren eigenen Berliner Erfahrungen, wie sehr solche Ereignisse langfristige traumatisierende Folgen … haben.“

14:00 Uhr: In Berliner Moscheen gedenken Zehntausende Muslime beim Freitagsgebet  der Opfer. Berliner Imame äußern ihr Mitgefühl und halten Schweigeminuten ab.

14:36 Uhr: Es bricht eine heftige Diskussion aus in Berlin, ob das Brandenburger Tor in den Farben der neuseeländischen Fahne angestrahlt werden soll. Die Berliner Senatskanzlei bestätigt, daß das Brandenburger Tor nicht in den Farben Neuseelands angestrahlt werde, wie es schon nach anderen Anschlägen der Fall war.

17:00 Uhr: Vor der Gedächtniskirche in Berlin versammeln sich Berliner Bürger auf einer „Kundgebung zur Solidarität mit den Opfern“, halten Schilder und eine Schweigeminute.

17:00 Uhr: Vor dem Brandenburger Tor in Berlin versammeln sich viele Berliner Bürger „zu einer Gedenkveranstaltung mit Gebet in Gedenken an die Opfer von Christchurch“.

18:30 Uhr: Hunderte Berliner verrichten ihr Abendgebet bei Wind und Regen auf dem Pariser Platz in Berlin für die Opfer des Terroranschlags. Was für beeindruckende Bilder!

19:30 Uhr: Die „Abendschau“ beginnt.

20:00 Uhr: Die „Abendschau“ endet. Und berichtete über alles mögliche außer über die große Solidarität der Berliner mit den Opfern der Anschläge in den Moscheen.

Hier mein Protokoll des Verlaufs der „Abendschau“ vom 15.03.2019 in der Reihenfolge der Beiträge:

  1. Bericht: Eisbären im Tiergarten
  2. Bericht: Fridays for Future: Tausende Schüler protestieren für Klimaschutz
  3. Bericht: Zwei Jahre nach dem Anschlag auf den Anschlag auf den Berliner Breitscheidplatz: Anis Amri soll auch einen Anschlag auf das Gesundbrunnen-Center geplant haben
  4. Bericht: Der Digitalpakt für Schulen ist beschlossen
  5. Bericht: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stellt Strafanzeigen gegen Sprachschulen wegen Urkundenfälschung
  6. Bericht: Neuer Simulator für angehende S-Bahnfahrer
  7. Bericht: Der Bezirk Mitte nutzt Vorkaufsrecht in Moabit und sichert Mietwohnungen
  8. Bericht: Eisbären im Tiergarten mit diesem Dialog: „Dilek, weißt Du was ich mir manchmal wünsche hier im Studio?“, fragt die Moderatorin ihre Kollegin Dilek Üşük. „Was?“, entgegnet Dilek Üşük. „So einen Eisbärenknopf hier mitten auf dem Tisch drückt man drauf und wenn schlechte Nachrichten kommen sieht man erstmal ein paar Eisbärenbilder! Das wäre schön!“, antwortet die Moderatorin. „Du meinst so eine Art Stimmungsaufheller?“, fragt Dilek Üşük nach. „Genau, das wäre schön!“, bestätigt die „Abendschau“-Moderatorin.
  9. Bericht: Business Immigration Service in der Ausländerbehörde
  10. Bericht: Fraktionssitzung Die Grünen
  11. Bericht: Fraktionssitzung Die Linken auf Schloß Rheinsberg
  12. Bericht: ein Korrespondentengespräch mit Boris Hermel zur Halbzeitbilanz von Rot-Rot-Grün
  13. Bericht: ein Interview mit dem Vorsitzenden der Fraktion Die Linken
  14. Bericht: ein Interview mit der Vorsitzenden der Fraktion Die Grünen
  15. Bericht: Die 14 Verwaltungsschritte für die Umsetzung eines Zebrastreifens
  16. Bericht: das Refractometer der Firma Schmidt und Haensch in Reinickendorf
  17. Bericht: der Allgemeine Deutscher Fahrrad-Club und „Changing Cities“ brechen Gespräche über Ausbau des Fahrradnetzes ab
  18. Bericht: Gas-Leck löst großen Feuerwehreinsatz in Kladow aus
  19. Bericht: die Schwimm-Olympia-Siegerin Andrea Pollack ist tot
  20. Bericht: eine neue Galerie für zeitgenössische Kunst mit Arbeiten eines niederländischen Künstlers im alten Hauptquartier des US-Armee in Dahlem
  21. Bericht: eine neue Schallplatte einer Musikgruppe mit dem Namen „Interzone“
  22. Bericht: Journalisten fotografieren den Eisbären im Tiergarten
  23. Bericht: Interview mit Florian Sicks, Bärenkurator Tierpark
Bildschirmfoto der „Abendschau“ vom 15.03.2019. Foto: RBB Mediathek

23 Berichte sendete die 30-minütige „Abendschau“ am 15. März, aber kein Wort über die große Solidarität der Berliner, die an diesem Tag in Berlin öffentlich kundgetan wurde mit den Opfern der Terroranschläge auf Moscheen in Neuseeland, unter anderem an mehren Berliner Wahrzeichen wie der Gedächtniskirche und dem Brandenburger Tor.

Bei den Gedenkveranstaltungen und Kundgebungen für die Opfer von Christchurch vor dem Brandenburger Tor und vor der Berliner Gedächtniskirche hätte die „Abendschau“ gute Bilder mit lokalem Bezug drehen drehen können.

Dafür zieht sich das Thema Eisbär durch die gesamte RBB-Sendung. Die „Abendschau“ erwähnt zu Beginn und am Ende das Eisbärbaby und thematisiert es zwischen weiteren Beiträgen.

Ich habe mir die Titelseiten von ca. 150 Tageszeitungen angeschaut, die am 16. März erschienen sind. Die Seite 1 von vielen Zeitungen mit weltweiter Bedeutung wie z. B. „New York Times“ (USA) oder „Financial Times“ (England). Sie berichteten alle groß auf Seite 1 über die Anschläge in Neuseeland.

Genauso viele Zeitungen aus kleinen Regionen in Deutschland, die nur lokale Bedeutung haben wie z. B. das „Eichsfelder Tageblatt“ (Niedersachsen) oder die „Solinger Bergische Morgenpost“ (Nordrhein-Westfalen) und ebenfalls auf ihren Titelseiten über den Terror gegen Muslime in Neuseeland angemessen berichtet haben. Hier ein Beispiel:

„Eichsfelder Tageblatt“ vom 16./17.03.2019. Foto: Martin Lejeune

Umso verwundeter war ich, daß die Seite 1 der überregionalen Tageszeitung taz in Berlin die wichtigen Neuigkeiten aus Neuseeland mit keinem Wort erwähnt. Dabei sollte eine Zeitung stets aktuell sein und den Ereignisse ihrer Bedeutung entsprechend Raum geben auf ihrer ersten Seite.

„taz“ vom 16./17.03.2019 Foto: Martin Lejeune

Die „taz“ in Berlin ist eine bekannte Tageszeitung, die in ganz Deutschland verkauft wird und von vielen Lehrern, Politikern, Journalisten und Studenten gelesen wird. Die Titelseite der taz vom 16./17.03.2019 erwähnt die Anschläge in Neuseeland mit keinem einzigen Wort.

Stattdessen berichtet die Seite 1 der taz über:

  1. „828 Tage Rot-Rot-Grün“ (Fortsetzung Seite 26)
  2. Hannibal im Ausland (Fortsetzung Seite 20)
  3. „Kühlschrank, bitte kommen“ (Fortsetzung Seite 24)
  4. Buchmesse in Leipzig (Fortsetzung Seite 12)
  5. „Frauenfalle Homeoffice“ (Fortsetzung in der Beilage)
  6. Interview mit der SPD-Politikerin Svenja Schulze (Fortsetzung Seite 5)

Sechs Berichte und eine Reklame-Anzeige auf der Titelseite der taz vom 16./17. März, aber keine Erwähnung der Terroranschläge.

Ich fragte die taz, weshalb sie auf der Titelseite ihrer Ausgabe vom 16./17.03.2019 die Anschläge auf Muslime in Christchurch und die Solidarität mit den Opfern nicht erwähnt. Die taz antwortete mir, das Thema Rot-Rot-Grün sei „verkaufsträchtiger“ als die Solidarität mit den muslimischen Opfern der Terroranschläge.

Auch die „Dresdner Morgenpost“ vom 16.03.2019 erwähnt die Terroranschläge gegen Muslime mit keinem Wort auf ihrer Titelseite.

Dresdner Morgenpost vom 16.03.2019. Foto von einem Freund

Die Dresdner Morgenpost berichtet auf ihrer Seite 1 vom 16. März über:

  1. Sachsens Schüler schwänzen (Fortsetzung Seite 8)
  2. „Umfrage“ ärgert Genossenschaft (Fortsetzung Seite 4)
  3. MP Kretschmer ganz angetan von Singapur (Fortsetzung Seite 10)
  4. Steuerfahnder machen fette Beute (Fortsetzung Seite 11)
  5. Dynamo-Schubert mauert weiter (Fortsetzung Seite 16)
  6. Eislöwen kassieren Auftakt-Pleite (Fortsetzung Seite 23)

Sechs Berichte hat die Dresdner Morgenpost auf ihrer Titelseite vom 16.03. und keiner davon handelt von den aktuellen Anschlägen in Christchurch. Dafür schafft es ein Bericht über die Eislöwen auf die Titelseite vom 16. März. Das erinnert mich an die Berichterstattung des RBB. Der Sender hatte den langen Bericht über das Eisbärbaby in seiner „Abendschau“ am 15.03. Auf der Seite 1 der Dresdner Morgenpost findet sich passend zum Bericht der „Abendschau“ ein großes Foto mit einem Eisbären, der ein Schild hochhält. Auf dem steht „Mir ist warm“.

Natürlich sind Eisbären wichtige Tiere und der Klimaschutz ist ein Thema, das uns alle betrifft. Menschen und Eisbären. Aber weshalb erwähnt die Dresdner Morgenpost die Terroranschläge mit keinem Wort auf ihrer Titelseite? Das habe ich die Zeitung gefragt und noch keine Antwort erhalten.

Ich erwähnte bereits vier Zeitungen aus den USA, England und aus Deutschland, die sehr angemessen auf die Anschläge reagiert haben. Hier nun weitere Beispielen:

Die Titelseite der niederländischen Abendzeitung „NRC“ gefällt mir sehr gut, weil das Foto die Grausamkeit der Anschläge veranschaulicht ohne die Privatsphäre der Opfer zu verletzen, wie es leider die „BILD“-Zeitung in ihrer Ausgabe vom 16.03. getan hat.

„NRC“ vom 16./17.03.2019. Foto: Martin Lejeune

Auch das Titelbild der „Hamburger Morgenpost“ vom 16.03.2019 ist sehr angemessen. Es vermittelt die Trauer der Angehörigen und Hinterbliebenen durch die schwarze Titelseite und drückt gleichzeitig durch die abgebildete weiße Blume ihr Mitgefühl aus.

Hamburger Morgenpost“ vom 16.03.2019

Als Kontrast das Titelbild der „Chemnitzer Morgenpost“ vom 16.03.2019

Chemnitzer Morgenpost“ vom 16.03.2019. Foto: Martin Lejeune

Die Beispiele der obig abgebildeten Titelseiten zeigen wie unterschiedlich die Bedeutung der Anschläge in Neuseeland eingestuft wird, auch innerhalb einer einzigen Mediengruppe. Die „Hamburger Morgenpost“, die ihre komplette Titelseite vom 16. März für die Anschläge in Christchurch freigemacht hat gehört demselben Verlag wie die „Chemnitzer Morgenpost“ und die „Dresdner Morgenpost“ gehören, welche beide die Terrorattacken auf Muslime nicht auf ihren Titelseiten vom 16.03. erwähnen.

Ob der Bedeutung von dieser schrecklichen Nachricht aus Neuseeland in den Redaktionen von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich starke Bedeutung beigemessen wird, ob die politische Einstellung der Chefredaktion eine Rolle spielt oder es schlichtweg nur die „verkaufsträchtigsten“ Themen auf die Titelseite schaffen, wie dies bei der taz der Fall ist, versuche ich derzeit noch durch meine Umfrage in den Redaktionen herauszufinden. Sobald ich die Antworten auf meine Umfrage erhalte, werde ich sie hier publizieren.

Insbesondere fällt mir auf, daß viele Zeitungen nicht auf ihren oberen Blatthälften über den Terror gegen Muslime berichten:

Regionale Zeitungen wie „Sächsische Zeitung“ vom 16./17.03.2019, „Märkische Allgemeine“ vom 16./17.03.2019, „Magdeburger Volksstimme“ vom 16./17.03.2019 und „Märkische Oderzeitung“ vom 16./17.03.2019 berichten auf oberen Blatthälften nicht über Terror gegen Muslime. Fotos: Martin Lejeune
Auch überregionale Zeitungen wie die „Junge Welt“ vom 16./17.03.2019 erwähnen die Terroranschläge in Neuseeland nicht. Foto: Martin Lejeune
Dasselbe gilt für die internationale Ausgabe der „Neuen Zürcher Zeitung“ vom 16./17.03.2019. Foto: Martin Lejeune

Die „Berliner Zeitung“ vom 16./17.03.2019 berichtet auf iher oberen Blatthälfte über die Anschläge und kündigt über ihrem Zeitungskopf „Reportagen aus Neuseeland und einer Berliner Moschee“ an. Ob an diesem Tag die Gleichsetzung von Neuseeland und Berlin angemessen ist?

„Berliner Zeitung“ vom 16./17.03.2019 . Foto: Martin Lejeune

Und die „B.Z.“ findet ihre ganz eigene Sprache für den Terror gegen Muslime in Christchurch:

„B.Z.“ vom 16./17.03.2019. Foto: Martin Lejeune

Daß die „B.Z.“ die Anschläge in den Moscheen in Neuseeland als „Rache für den „Terror am Breitscheidplatz“ bezeichnet, wirkt auf mich wie der Versuch einer Rechtfertigung.

Am 17. März lautet die Überschrift einer Meldung des Evangelischen Pressedienst: „Berliner Gottesdienst erinnert an verfolgte Christen und Opfer in Christchurch“.

Die Titelseite der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ vom 17.03.2019 unterläßt einen Hinweis auf den Terroranschlag in Christchurch:

„Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ vom 17.03.2019. Foto: Martin Lejeune

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One Comment

  1. م. ع.ح 17. März 2019 at 15:13 - Reply

    السكوت …هو علامة الرضى …عما قام به هذا الارهابي .انه من دواعش الكنيسة …هكذا يدل من خلال كتاباته…انا ارى إنه يوم اسود في تاريخ الانسانية والحضارة الغربية وثقافتها….انه التطرف الديني الذي يعود الى العالم الغربي باشكال جديدة ….

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