«Fünf Millionen Flyer geklaut»: Straffreiheit für Künstler, die der AfD schaden?

Published On: 28. September 2021

Die Künstlergruppe «Zentrum für Politische Schönheit» («ZPS») gründete eine Scheinfirma mit falschen Angaben, um der AfD Millionen Wahlkampf-Faltblätter (Flyer) zu «klauen».

«Mehrere Aufträge über insgesamt mehr als 1 Million Flyer wurden erteilt. Heute hat sich herausgestellt, daß dieser Flyerservice nicht existiert und offenbar hinter der ‹Aktion› die selbsternannten Künstler des ‹Zentrums für politische Schönheit› stehen», heißt es am 24.09.2021 im Presseportal von «news aktuell», das zur dpa gehört. https://archive.ph/MB3b6

Das «ZPS» sagt, es habe der AfD «fünf Millionen Flyer geklaut». https://archive.is/d0ahJ

85 AfD-Parteiverbände seien Kunden der Flyerservice Hahn GmbH geworden, so das «ZPS».

Die Aufträge erschlich sich das «ZPS» mit Hilfe der erfundenen Scheinfirma Flyerservice Hahn GmbH, um AfD-Flugblätter vor den Wahlen am 26.09.2021 zu «klauen». Gewählt wurden an diesem Tage u.a. die Mitglieder des Bundestages, des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern, des Abgeordnetenhauses von Berlin, der Bezirksverordnetenversammlungen sowie Landräte.

«Das ist gezielte Benachteiligung einer Partei vor den Wahlen und das könnte sogar strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen», sagt der Polizeibeamte Karsten Hilse (AfD), MdB.

Die Flyerservice Hahn GmbH machte im Impressum ihrer Internetseite falsche Angaben. Die Scheinfirma des «ZPS» nutzte die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer sowie den Registereintrag beim Amtsgericht Darmstadt der Marketing Beratung Hahn GmbH.

Richtige Angaben im Impressum der Internetseite der Marketing Beratung Hahn GmbH: https://archive.ph/fCb90

Falsche Angaben im Impressum der Internetseite der Flyerservice Hahn GmbH: https://archive.is/MlLCI

Nach dem GmbH-Gesetz werden falsche Angaben mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft. https://archive.ph/jJLLJ

Bang for the buck

Finanziert wird das «ZPS» von Antonis Alexander Schwarz, der sich als Geschäftsführer der Kerkis GmbH sowie als Geschäftsleiter der Leifina GmbH & Co. KG mit Gesellschaftsrecht auskennen sollte. Wußte Schwarz von den falschen Angaben der Flyerservice Hahn GmbH als Mittel zum «Flyer-Betrug»?

Am 28.09.2021 räumte Dr. Philipp Ruch, Chef-Ideologe des «ZPS», in einem Interview mit Vladimir Balzer ein, daß die Rolle der Flyerservice Hahn GmbH beim «Flyer-Betrug» nicht ganz unproblematisch sei. Daher habe das «ZPS» die falschen gesellschafts- und steuerrechtlichen Angaben nach dem vollendeten «Flyer-Betrug» wieder von der Internetseite der Flyerservice Hahn GmbH entfernt. https://archive.is/356fJ

Dr. Ruch erzählt Balzer: «Der Flyerservice Hahn hat keine Rechtsform, es besitzt keine Rechtsform, es besitzt keine Umsatzsteuer, es besitzt keine geschäftsfähige Adresse und auch sonst nichts dergleichen. Wir haben das behauptet, ja sicher, das steht auch auf den Angeboten. Es gibt diese Firma einfach nicht.» https://archive.ph/JF4TQ

Entwickelte Dr. Ruch, um sein Ziel, so viele AfD-Flyer wie möglich zu klauen, zu erreichen, einen Willen zum Rechtsbruch, den er als Kunstfreiheit zu kaschieren versucht? Geschäftsbeziehungen beruhen auf Vertrauen, dem kostbarsten Gut der Kaufmannschaft, das beschädigt wird durch jede kriminelle Energie. Ein Kollateralschaden des «Betrugs» durch das «ZPS» ist der ehrbare Kaufmann, dem Leitbild für verantwortliche Teilnahme am Wirtschaftsleben und für die sozial Verantwortung von Unternehmen für die Gesellschaft.

Take the money and run

Das weitere Vorgehen der Ermittlungsbehörden wird zeigen, ob Dr. Ruch Straffreiheit vergönnt wird durch seinen erlauchten Nimbus als Künstler. Dr. Ruch ist kein Einzelfall. Jens Haaning erhielt vom Kunsten-Museum in Aalborg 550. 000 Dänische Kronen (ca. 74 .000 Euro) für zwei Kunstwerke, die er laut Museumsdirektor Lasse Andersson nicht wie vertraglich vereinbart lieferte. «Der Künstler hatte das Geld genommen und sich aus dem Staub gemacht», schreibt Kai Strittmatter auf der Titelseite der «Süddeutsche Zeitung» vom 30.09.2021.

Darf die Kunstfreiheit so weit ausgelegt werden, daß für Künstler Straffreiheit gilt? Und wenn ja, wie weit geht diese Straffreiheit? Sollte auch die Herabwürdigung von Menschen straffrei bleiben, wenn diese im Rahmen eines Kunstwerkes geschieht?

Bernd Hahn, Geschäftsführer der Marketing Beratung Hahn GmbH, sagt, die Flyerservice Hahn GmbH mache widerrechtlich Angaben der Marketing Beratung Hahn GmbH. Bernd Hahn zufolge unterhalte seine Firma keine Geschäftsbeziehungen zur AfD. Die Marketing Beratung Hahn GmbH habe zwar einmal einen Bürgermeisterkandidaten beraten, doch sei dieser «Mitglied einer der beiden großen Volksparteien» und nicht der AfD. Ob es sich dabei um den Bürgermeister der Kreisstadt Groß-Gerau Stefan Sauer (CDU), MdB, handele, sagte Bernd Hahn nicht.

Ruft man die Telefonnummer 0511 / 3500439 der Flyerservice Hahn GmbH an, erreicht man Herrn Heinemann, der nach eigenen Angaben «seit drei Jahren Verkaufsleiter der Flyerservice Hahn GmbH» sei. Auf die Angaben der Flyerservice Hahn GmbH im Impressum ihrer Internetseite angesprochen, entgegnet der Verkaufsleiter Herr Heinemann, er habe mit diesen Angaben nichts zu tun und verweist auf Markus Hahn, den Geschäftsführer der Flyerservice Hahn GmbH.

Thilda Rosenfeldt, Pressesprecherin des «ZPS» antwortet auf eine Interviewanfrage an Markus Hahn: «Ich versuchs, heute wird es wahrscheinlich knapp.»

Die Flyerservice Hahn GmbH nutzt auf ihrer Internetseite das Logo des DDV – Deutscher Dialogmarketing Verband e. V. mit Sitz in Frankfurt am Main und Berlin. https://archive.is/I2pm9

Boris von Nagy, Leiter Kommunikation des DDV sagt: «Die Verwendung des DDV-Logos wie auch anderer Marktteilnehmer geschah ohne unser und deren Wissen. Der DDV geht gegen unerlaubte Logoverwendung grundsätzlich mit rechtlichen Mitteln der Abmahnung vor. Die Aktion ist hier allerdings vorbei – eine Wiederholungsgefahr bezgl. unserer Logoverwendung sehen wir nicht. Eine Abmahnung/Unterlassungserklärung gegen das ‹ZPS› ziehen wir daher derzeit nicht in Betracht.»

Ferner nutzt die Flyerservice Hahn GmbH das GPZ-Siegel des Bundesverbandes Deutscher Anzeigenblätter e.V. (BVDA) mit Sitz in Berlin. Außerdem nutzt die Flyerservice Hahn GmbH das BVDA-Logo. https://archive.is/CJw0K

Das GPZ-Siegel steht für «Geprüfte Prospektzustellung». Michaela Steinhauser, Leiterin PR und Kommunikation beim BVDA, sagt: «Uns ist das genannte Unternehmen nicht bekannt. Eine möglicherweise unrechtmäßige Nutzung unseres GPZ-Siegels werden wir prüfen.»

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