„Wir sind gekündigte und verfemte Journalisten, die aufgestanden sind.“

Published On: 17. April 2020
Leser der Zeitung DER WIDERSTAND im Scheunenviertel in Berlin-Mitte. Foto (c) Martin Lejeune

Heute erschien die erste Ausgabe der Zeitung DER WIDERSTAND – Stimme der parteiunabhängigen liberalen Opposition und der kritischen Intelligenz in der Bundesrepublik Deutschland auf Basis des Grundgesetzes. Ein SMS-Blitzinterview mit dem neuverfemten und frisch gekündigten Journalisten Anselm Lenz, DER WIDERSTAND-Macher der ersten Stunde.

Verfassungsspaziergänger und Verfemter Anselm Lenz beim Verteilen der Zeitung DER WIDERSTAND im Scheunenviertel in Berlin-Mitte. Foto (c) Martin Lejeune

Wieviele Exemplare wurden bisher gedruckt?

20.000 für Berlin, alle verteilt mit wackeren Antifaschistinnen und Liberalen. Derzeit, heute nacht, werden weitere 40.000 von der tapferen Union-Druckerei und den dortigen Kollegen an der Maschine produziert. Die gehen nach Erfurt, Leipzig, Senden, Dresden und Köln. Am Samstag folgen weitere mindestens 20.000, abermals für Berlin für die Hygiene und der Rest geht express nach Hamburg.

Wie kamen Sie auf die Union-Druckerei?

Ich wohne 500 Meter von dort entfernt. Auf dem Weg in die Kirche von unten, einem alternativen Treff, ging ich immer dort vorbei. Und: Die stellen wacker die Tageszeitung „junge Welt“ her, werden schlecht honoriert und sind trotzdem solidarisch. Dank der Spender des Widerstands konnten wir ihnen einen normal bezahlten Auftrag geben.

Wie zufrieden sind Sie mit der Druckqualität?

Die Qualität ist gut. Satte Druckerschwärze. Mit redlichen Inhalten. Eine echte Zeitung.

Eine echte Zeitung ohne Reklame, ohne Foto, ohne Horoskop, ohne Wetterbericht, ohne TV-Programm, ohne Kreuzworträtsel? Das soll eine echte Zeitung sein?

Wir sind gekündigte und verfemte JournalistInnen, weil wir die Wahrheit aufschreiben wollen. Wir sind Arbeiter, Mediziner, Juristen, die aufgestanden sind. Wir haben in kürzester Zeit und so verständlich wie möglich, eine 8-seitige Zeitung im Berliner Format produziert.

Warum im Berliner Format? Was gab den Ausschlag zu 315 × 470 mm?

Das ist ein großes, klassisches Tageszeitungsformat aber noch gut in der Bahn lesbar. Union produziert das standardmäßig.

Welche Agenda verfolgt DER WIDERSTAND?

Wir sind unabhängig von Parteien oder sonstigen korrupten Abhängigkeiten. Wir verfolgen keine andere Agenda, da ist nichts im Verborgenen oder Ungesagtes.

Wer hatte die Idee, eine Zeitung zu machen?

Wir machen das zusammen. Aber der Anstoß kam von mir, weil ich mich damit auskenne und diese taz-Kündigung im Rücken hatte: Sowas schiebt an. Eine gute Zeitung für die Leute machen? Das können wir selber. Wie gesagt: Dank der SpenderInnen und deren bislang 8.000 Euro, die wir komplett dort hineingesteckt haben.

Was ist das Ziel der Zeitung?

Ich denke, mit der Verteilung von 20.000 Exemplaren in Berlin heute, ist die Wahrheit über Corona und das Notstands-Regime nicht mehr aufzuhalten.

Weshalb eine Papierausgabe in Zeiten des Internets, dank derer es so tolle Apps wie TikTok und SnapChat gibt?

Menschen werden in Todesangst zuhause gehalten. Ältere haben nicht unbedingt den Draht zum Internet. Es ist evident, dass es zu Zensur im Netz gekommen ist und noch immer kommt. — Zeit für ein Extrablatt!

Alles hat geschlossen wegen Coronaferien. Wie vertreiben Sie die Zeitung?

In Briefkästen, Spätis, Altersheimen und per persönlicher Übergabe. Mein Freund ist Taxifahrer. Ozan und ich sind fünf Stunden durch den Wedding, Kreuzberg und Mitte gegondelt. Am schönsten wars am Boxhagener Platz. Fast alle wollten die Zeitung haben. Am Kotti kamen Leute, die sagten: Bist Du Anselm? Gib uns ein Paket, das sind 200 Stück, wir verteilen hier für Dich weiter. — Die Kolleginnen von der Antifa und liberalen Gruppen haben in der Bahn verteilt. Und begonnen, sytematisch in Briefkästen zu werfen, besonders in Wohnsiedlungen, wo ältere Mitmenschen wohnen.

Gut, das ist Berlin. Und in der Provinz? Wie soll da der Vertrieb funktionieren?

In den andern Städten wird das über das nichtohneuns.de-Netzwerk laufen. Ein Aufruf reichte. Der Kollege Sven Sebastian Horner hat da brillante Arbeit geleistet. Wir sind eine gute Kerngruppe, das kann man wirklich sagen, Sven sitzt in Erfurt. Seit 25 Tagen arbeiten wir zusammen. Wir sind jetzt eingeschworen und kennen einander. Wir gehen zusammen fürs Grundgesetz, politische Transparenz und Basisdemokratie.

Können ältere Mitmenschen die Artikel des Grundgesetzes, die auf der letzten Seite DES WIDERSTANDS in Schriftrgröße 6 gesetzt sind, überhaupt ohne Lupe lesen?

Das ist immerhin noch Schriftgröße 7 und kommt im Druck gut raus. Aber klar: Der Text ist kein Genuss, sondern eine Handreichung. Das sind die Grundrechte, die wir geeint verteidigen werden. Whatever it takes. Daß das GG nicht der Weisheit letzter Schluss ist, ist klar. Aber es stellte doch immerhin sicher, dass wir uns einigermaßen unverwundet streiten konnten. Dafür streiten wir jetzt gegen Schlechteres. Das ist ein antifeudalistischer und antifaschistischer Abwehrkampf.

Warum hört auf der letzten Seite der Zeitung der Abdruck des Grundgesetzes bei Art. 20 auf? Ist das ein Äquivalent zum Fortsetzungsroman, dessen einzelne Kapitel in den fortlaufenden Ausgaben eines Periodikums veröffentlicht werden? Erscheinen in der nächsten Nummer die nächst Artikel des Grundgesetzes?

Nein, aber eine schöne Idee, einmal eine zweite Nummer zu produzieren. Nächste Woche?

Haben Sie überhaupt eine Genehmigung beim Rechteinhaber eingeholt, zwanzig Artikel des Grundgesetzes nachzudrucken?

Ironische Antwort: Erstmal Prof. Agamben fragen. Zum amtlichen Gesetzblatt dürfte es ein weiter Weg sein. Und vielleicht hat das Regime — anders kann man es gerade wirklich nicht nennen — ein Einsehen. Und gibt diesen Feudalisierungs- und Faschisierungskurs auf. Dann wird unser Kampf bereits zum Sieg geführt haben. Ums mal pathetisch zu formulieren.

Wie gelang der Scoop, Prof. Agamben für DER WIDERSTAND zu gewinnen?

Über Jens Wernicke, den Kulturwissenschaftler und Publizisten, mit einem Anruf in Venedig bei Prof. Agamben.

Ich war gerade auf Ihrer Website und habe noch kein E-Paper von DER WIDERSTAND gefunden? Offline first?

Das E-Paper ist online ab Mitternacht.

Der Newsroom von DER WIDERSTAND sitzt in einer piefigen Stube im Arbeiterviertel Wedding. Trudeln noch nicht genug Spenden ein, um – einem neuen Medien-StartUp standesgemäß – ein Loft in einem gentrifizierten Hippster Quartier wie Prenzlauer Berg zu beziehen, in das prekär beschäftigte Laufburschen täglich frische Flugananas für die Redaktionssitzungen anliefern?

Wir kommen mit den Leuten hier um Kiez wunderbar zurecht. Wir wissen alle selber, wie es ist, mit wenig Geld – aufzuwachsen – durchzukommen – weiter zu machen – einigermassen redlich zu bleiben. Das finden wir hier vor.

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