Sahra Wagenknecht enthüllt ihre neue Partei
Es war ein historischer Moment, dem die Menschen am späten Donnerstag abend im Steintor-Varieté beiwohnten. Sahra Wagenknecht, noch Mitglied DER LINKEN, verkündete erstmals öffentlich die Gründung ihrer neuen Partei BSW. Bündnis Sahra Wagenknecht. So wird sie vorläufig heißen, die neue progressive Kraft, nicht nur in Mitteldeutschland. Denn man müsse die Partei ja auch auf den Wahlzetteln finden, erklärt Wagenknecht den Parteinamen, der die Aufmerksamkeit völlig auf ihre Person lenkt. Dies habe allerdings nichts mit Eitelkeit zu tun, versichert Wagenknecht dem prall gefühlten Saal. Der Name soll keinen Personenkult pflegen, sondern sei vielmehr der allgegenwärtigen Berichterstattung geschuldet, die stets von der Wagenknecht-Partei spreche und schreibe. Demnach würden die Wähler auch nach einer Partei dieses Namens auf den Wahlzetteln Ausschau halten. «Und ich selber kann ja nur in einem Bundesland kandidiere», sagt sie mit Blick auf die nächste Bundestagswahl, bei der ihre neue Partei in allen 16 Ländern antreten soll.
Ausführlich wie nie zuvor berichtet Wagenknecht über den Aufbau ihrer neuen Partei und gibt Einblicke in das Warum. Die Frage, die alle bewegt. Warum gründet die erfolgreiche Spitzenpolitikerin mit dem noch erfolgreicheren Spitzenpolitiker Oskar Lafontaine an ihrer Seite, eine neue Partei? Wagenknecht sagt ganz offen, daß nicht die Unzufriedenheit mit dem Zustand der DER LINKEN der ausschlaggebende Punkt sei, denn aus diesem Grunde allein reiche es ja auszutreten aus der alten, ungeliebten Partei. Nein, das ist es nicht.
Was sie antreibt, ist die Unzufriedenheit mit dem Zustand des Landes. Und Wagenknecht hat den eisernen politischen Willen, dies zu ändern. Dieses Land in eine neue, bessere Richtung zu lenken. Mit mehr sozialer Gerechtigkeit, starken Arbeitnehmerrechten, höheren Löhnen, fairen Renten und Friedensverhandlungen mit Rußland. Wofür sie am meisten gescholten wird von allen Seiten. Wobei, Thema des Abends war der Krieg gegen Israel. Und nicht mehr der Angriff auf die Ukraine.
Offen wie nie geht Wagenknecht auch mit sich selbst hart ins Gericht. Sie gesteht, daß sie sich nicht sicher gewesen sei, eine neue Partei zu gründen. Das sei nichts, was man mal eben so tut. Und sie habe sich auch davor gefürchtet. Denn die Angriffe gegen ihre Person, denen sie ausgesetzt gewesen sei, als sie mit Alice Schwarzer eine Friedens-Demo vor dem Brandenburger Tor abhielt, hätten eine neue Dimension erreicht. Das sei nicht angenehm gewesen. Und eine Demo zu machen, sei ja nichts im Vergleich zur Gründung einer neuen Partei. Daher bittet Wageknecht ihre Zuhörer um Verständnis, daß es bis heute gedauert habe, daß sie die Gründung ihrer neuen Partei offiziell bestätigt.
Aber was war ausschlaggebend, daß sie sich nach langem Hin und Her, nach vielem Abwegen und natürlich auch nach langen Diskussionen mit ihrem politisch erfahrenen Ehemann, der immerhin einst Bundesvorsitzender der größten und ältesten Partei Deutschlands war, letztendlich doch für diesen Schritt nach Vorne, für den Aufbruch zu etwas Neuem, entschieden hat?
Wagenknecht antwortet darauf zunächst, daß sie eine Leerstelle in der Demokratie sehe, die gefüllt werden müsse mit einer seriösen Opposition, welche die AfD nicht ist. Die AfD wird gewählt von Personen, die zum Glück nicht überzeugt sind vom Programm und Personal der AfD, sondern diese aus Wut wählen, aus Potitikverdroßenheit. Für diese seriöse Menschen wäre es besser, eine politische Heimat zu haben, die nicht nur Proteste artikuliert, sondern auch Konzepte hat.
Wagenknecht spürt, daß es ganz viele gibt, die sich eigentlich von keiner Partei mehr vertreten fühlen. Und die will sie abholen. Doch dann wird sie noch deutlicher, daß sie es sich nicht hätte verzeihen können, wenn sie es nicht getan hätte. Wenn sie Chance, etwas zum Besseren zu verändern, jetzt nicht ergriffen hätte, würde sie sich dies ewig vorwerfen. Sie ist in der Lage etwas zu bewirken und das tut sie jetzt.
Wagenknecht betont, wie sehr sie sich DER LINKEN seit vielen Jahren verbunden fühle. Sie wäre nur zu gern geblieben in DER LINKEN, wenn ihre alte Partei ihrem Programm und dem Sozialismus treu geblieben wäre. Erst gestern sei sie mit Gregor Gysi gemeinsam im Fahrstuhl gefahren. Ohne ihm an die Gurgel zu gehen. Sie geht keinen Gram, weder gegen Janine Wissler, noch gegen Martin Schirdewan. Zumindest läßt sie es sich nicht anmerken, wenn es wäre. Obwohl ihre beiden Vorsitzenden keine Gelegenheit auslassen, öffentlich ihre Abneigung gegen Wagenknecht kundzutun. Wagenknechts politischer Feind ist nicht DIE LINKE, sondern die AfD. Daher ist eine Regierungsbildung ihrer neuen Partei BSW mit DER LINKEN wahrscheinlich. Wer die meisten Stimmen bekommen, wird Ministerpräsident bzw. Ministerpräsidentin des Freistaates an der Saale.
Dieser Abend in Halle war der Beginn zu einem politischen Umbruch in Deutschland, der Auftakt zu neuen Koalitionen. Die Parteienlandschaft wird sich grundlegend verändern, die AfD geschwächt werden. Ja, es war ein Moment für die Geschichtsbücher, dem Wagenknechts Zuhörer in Halle beiwohnen durften. Dutzende Menschen strömten danach zu ihr auf die Bühne. Ein Herr sagte ihr: «Ich wähl’ schon lang nicht mehr. Ich war über 30 Jahre lang nicht mehr in einer Partei. Aber jetzt trete ich wieder in eine ein: in Ihre!»
Wagenknecht antwortet: «Am Montag geht unsere Website online. Dann können Sie beitreten.»
«Das mach’ ich!», sagt der Herr und wünscht ihr ganz viel Erfolg. So wie er haben sich viele an diesem Abend geäußert. Die ersten Mitglieder in Halle hat Wagenknechts neue Partei also schon mal sicher.
Eine Umfrage unter Wagenknecht-Anhängern in Halle veröffentliche ich als nächstes.