Antisemitismusbeauftragter der Polizei über Nahostkonflikt auf Berlins Straßen

Published On: 16. März 2023

Kriminaldirektor Winfrid Wenzel, Antisemitismusbeauftragter der Polizei Berlin, über den Nahostkonflikt auf Berlins Straßen

Heute besucht Israels Premierminister Benjamin Netanjahu Berlin. Inwieweit sind Sie als Antisemitismusbeauftragter der Polizei Berlin mit dem damit verbundenem Polizeieinsatz befasst?

Als zentrale interne Ansprechperson zum Thema Antisemitismus werde ich über die Vorbereitungen und Durchführung des Besuchs informiert und stehe den Kolleginnen und Kollegen jederzeit beratend zur Seite.

Die Zahl antisemitischer Straftaten in Berlin hat nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft Berlin einen neuen Höchststand erreicht. 2022 seien 691 Fälle registriert worden, sagt Dr. Florian Hengst, Antisemitismusbeauftragter der Generalstaatsanwaltschaft Berlin. Was sagen Sie zu den Fallzahlen aus Sicht der Polizei Berlin?

Die Polizei Berlin registrierte im Jahr 2022 381 Fälle mit antisemitischer Motivation. Grund für die Abweichung sind unterschiedliche Zählweisen bei den Ermittlungsbehörden. Während bei der Generalstaatsanwaltschaft dort bekanntgewordene Ermittlungsverfahren gezählt werden, erfolgt im Rahmen des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes für Politisch motivierte Kriminalität aufgrund bundeseinheitlicher Vorgaben eine sogenannte fallbezogene Zählung. Ein Fall bezeichnet jeweils einen Lebenssachverhalt in einem engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit identischer oder ähnlicher Motivlage, unabhängig von der Zahl der Tatverdächtigen, Tathandlungen, Anzahl der verletzten Rechtsnormen oder der eingeleiteten Ermittlungsverfahren.

Steigende Fallzahlen sind natürlich immer besorgniserregend. Gleichzeitig zeigt das aber auch, dass wir genau hinsehen und antisemitische Vorfälle auch als solche registrieren. Zur diesbezüglichen Sensibilisierung aller Dienstkräfte haben wir gemeinsam mit dem Antisemitismusbeauftragten der Generalstaatsanwaltschaft einen „Leitfaden zur Verfolgung von antisemitischen Straftaten in Berlin“ herausgegeben und sind an der dahingehenden Aus- und Fortbildung unserer Dienstkräfte durch gemeinsam mit der Polizeiakademie initiierte Projekte beteiligt.

In Berlin gibt es regelmäßig Polizeieinsätze im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt, u. a. während Versammlungen. Wie spiegelt sich der Nahostkonflikt auf den Straßen Berlins und inwiefern prägt der Nahostkonflikt Ihre Tätigkeit als Antisemitismusbeauftragter der Polizei Berlin?

Das Recht zu demonstrieren („Versammlungsfreiheit”) wird verfassungsrechtlich durch Artikel 8 Grundgesetz garantiert. Versammlungen werden von der Polizei Berlin durch entsprechende Einsätze geschützt. Je nach Ereignislage haben Versammlungen auch Bezug zum Nahostkonflikt, etwa bei negativen Entwicklungen. Bei manchen solcher Versammlungen, aber auch unabhängig davon, verzeichnen wir Fälle von israelbezogenem Antisemitismus in Berlin, die wir sehr ernst nehmen. 

Im Vorfeld von relevanten Veranstaltungen mit Bezug zu jüdischem Leben oder Antisemitismus und wenn es bei Demonstrationen oder in anderen Fällen zu antisemitischen Vorfällen kommt, wird in der Regel der Antisemitismusbeauftragte der Polizei Berlin informiert. 

Um solche Vorfälle entsprechend zu erkennen und einzuordnen, sensibilisiert der Antisemitismusbeauftragte der Polizei Berlin etwa durch gemeinsam mit der Polizeiakademie initiierte Projekte zur internen Aus- und Fortbildung oder den gemeinsam mit dem Antisemitismusbeauftragten der Generalstaatsanwaltschaft entwickelten „Leitfaden zur Verfolgung von antisemitischen Straftaten in Berlin“. Dieser wird aktuell erweitert, und umfasst künftig auch Hinweise auf Chiffrierungen von Antisemitismus durch Codes, zum Beispiel als grafische Darstellungen oder Symbole, damit die Kolleginnen und Kollegen auf der Straße noch besser ausgerüstet sind, um Antisemitismus zu erkennen.

Sie sind innerhalb des Landeskriminalamtes im Bereich Prävention tätig. Wie schützen Sie jüdisches Leben in Berlin?

Der Schutz von jüdischem Leben und von jüdischer Kultur ist ein wichtiger Bestandteil unseres demokratischen Zusammenlebens in Berlin. Antisemitische Übergriffe auf jüdische Menschen oder die, die für Juden gehalten werden, richten sich als Teil der Hasskriminalität immer auch gegen die Werte freier, demokratischer und offener Gesellschaften. Insofern bedroht Antisemitismus, als Teil der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit, das friedliche Zusammenleben und die Stabilität der Gesellschaft. Der Kampf gegen Antisemitismus ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung und Aufgabe. Die Strafverfolgungsbehörden tragen eine besondere Verantwortung, da sie für Repression, Prävention und Gefahrenabwehr zuständig sind.

Die Aufgaben des Antisemitismusbeauftragten in der Polizei Berlin sind insbesondere zentrale Ansprechperson zum Thema nach innen und außen zu sein, aktive Netzwerkarbeit für eine gebündelte Expertise und fachlicher Austausch zu polizeilich präventiven und repressiven Maßnahmen, zu Ursachen, Erscheinungsformen, Auswirkungen und Verfolgungsmöglichkeiten von Antisemitismus und fortlaufende Sensibilisierung der Mitarbeitenden der Polizei Berlin.

Die externe und interne Netzwerkarbeit wird durch die Einrichtung regelmäßiger Jours fixes gestärkt.

Durch die Einrichtung eines Antisemitismusbeauftragten in der Polizei Berlin soll eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit jüdischen Institutionen, Einrichtungen und Organisationen jüdischen Lebens in Berlin sichergestellt, das Vertrauen in die Arbeit der Polizei Berlin bei der Bekämpfung antisemitischer Straftaten und der Kriminalprävention gestärkt und die regelmäßige Vernetzung mit den anderen handelnden Akteuren optimiert werden.

Insgesamt zielt die Polizei Berlin darauf ab, Prävention und Repression im Themenfeld Antisemitismus nachhaltig zu stärken.

2 Comments

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