Medienverbote in Deutschland nach 1945
Das COMPACT-Verbot durch das Bundesministerium des Innern (BMI) war nicht das erste Verbot eines Mediums in Deutschland und schon gar nicht das erste Presseverbot durch das Mittel des Vereinsrechts, wie es mehrfach falsch berichtet wurde. Eine kleine Geschichte der Medienverbote in Deutschland nach 1945.
- 1951 verbietet die britische Militärregierung in Deutschland für 90 Tage die Reichszeitung für nationale Opposition und deutsche Selbstbehauptung.
- 1952 verbietet das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe im Zuge des Verbots der Sozialistischen Reichspartei (SRP) die parteieigenen Blätter Deutsche Wacht und Die Information sowie die SRP-nahe Zeitschrift Deutsche Opposition – Neue Folge der Deutschen Wacht, Nachfolgerin der bereits 1951 vorübergehend verbotenen Reichszeitung für nationale Opposition und deutsche Selbstbehauptung. Zudem betrifft das Verbot auch die Jugendzeitung Die Fanfare, die parteiamtlich empfohlen wurde (Az. 1 BvB 1/51).
- 1956 verbietet das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe im Zuge des Verbots der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) auch die Presse der Partei, unter ihnen das Zentralorgan der KPD, die Zeitung Freies Volk. In der Bundesrepublik Deutschland gab es im Jahre 1954 dreizehn kommunistische Tageszeitungen mit einer täglichen Auflage von 18.000 bis 60.000 Exemplaren. Nach dem Verbot beschlagnahmten die Behörden 17 Zeitungen mit einer Auflage von insgesamt rund 150.000 Exemplaren (Az. 1 BvB 2/51).
- 1969 beantragt das BMI beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, dem Journalisten Gerhard Frey und seiner Druckschriften- und Zeitungsverlags GmbH (DSZ-Verlag) das Grundrecht der freien Meinungsäußerung, insbesondere der Pressefreiheit, für verwirkt zu erklären und Freys Verlag aufzulösen. Die Anträge richten sich gegen Freys Tätigkeiten als Herausgeber und Autor der Deutschen National-Zeitung (früher Deutsche National-Zeitung und Soldaten-Zeitung). 1974 lehnt das Bundesverfassungsgericht die Anträge ab, da das Medium keine ernsthafte Gefahr für den Bestand der freiheitlich-demokratischen Grundordnung (fdGO) darstelle und keine politisch bedeutsame Resonanz finde (Az. 2 BvA 1/69).
- 1980 verbietet das BMI im Zuge des Verbots der Wehrsportgruppe Hoffmann (WSG) die Kommando – Zeitung für den europäischen Freiwilligen (Az. IS 2 – 612 320 – H6).
- 1988 streicht das Ministerium für Post- und Fernmeldewesen in Berlin die Zeitschrift Sputnik für ein Jahr von der Postzeitungsliste, was einem Verbot gleichkommt. Der Postzeitungsvertrieb (PZV) ist das staatliche Vertriebsorgan der DDR für alle Presseerzeugnisse des In- und Auslandes. Gemäß des Gesetzes über das Post- und Fernmeldewesen ist die Deutsche Post allein zuständig für die Beförderung und den Vertrieb fortlaufend erscheinender Presseerzeugnisse.
- 1993 verbietet das BMI im Zuge des Verbots der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) die PKK-nahe Berxwedan-Verlags GmbH sowie die Nachrichtenagentur Kurdistan-Haber Ajansi-News-Agency (Kurd-Ha) (Az. IS 1 – 619 314/27). Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt 1994 und 1997 das Verbot (Az. 1 VR 9/93, 1 A 13/93).
- 2005 verbietet das BMI die Yeni Akit GmbH, Verlegerin der Europa-Ausgabe der Tageszeitung Anadolu’da Vakit (Az. P II 3 – 619314-5/1).
- 2005 verbietet das BMI die PKK-nahe E. Xani Presse- und Verlags-GmbH, Verlegerin der seit 1995 erscheinenden Zeitung Özgür Politika (Az. VB 2 – 48 04 77/70). Das Bundesverwaltungsgericht setzt zunächst den Sofortvollzug des Verbots aus (Az. 6 VR 5.05) und hebt das Verbot schließlich auf (Az. 6 A 4.05). Die Yeni Özgür Politika, Nachfolgerin der Özgür Politika, erscheint seit 2006 in Deutschland.
- 2008 verbietet das BMI die Verbreitung des Fernsehprogramms des Hizb Allah-nahen libanesischen Senders Al Manar TV (Az. ÖS II 3 – 611 834 – 2/0 II). 2020 verbietet das BMI auch die Hizb Allah (Az. ÖS II 2 – 20106/24#1). Die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) veranlasst als Organ der Landesmedienanstalten am 18.12.2024 die Sperrung der arabisch- und englischsprachigen Webseiten des libanesischen Senders Al Manar TV gegenüber mehreren Telekommunikationsunternehmen. Den Telekommunikationsunternehmen gegenüber wird gemäß §§ 14 Abs. 1 S. 1, 20 Abs. 1, Abs. 4 JMStV i. V. m. § 109 Abs. 3 MStV eine Sperrung der Telemedienangebote für den Abruf aus Deutschland angeordnet.
- 2008 verbietet das BMI die PKK-nahe Mesopotamia Broadcast A/S METV, Roj TV A/S sowie die VIKO Fernseh Produktion GmbH (Az. ÖS II 3 – 619 314 – 2/52). Sowohl das Bundesverwaltungsgericht (Az. 6 A 5.08) als auch der Europäische Gerichtshof (Az. C‑244/10, C‑245/10) prüfen das Verbot.
- 2011 verbietet das BMI im Zuge des Verbots der Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V. (HNG) die Nachrichten der HNG (Az. ÖS III 4 – 619 312/48). 2012 bestätigt das Bundesverwaltungsgericht das Verbot (Az. 6 A 6.11). Verfassungsbeschwerden dagegen werden 2018 vom Bundesverfassungsgericht zurückgewiesen (Az. 1 BvR 1474/12, 1 BvR 670/13, 1 BvR 57/14).
- 2015 verbietet das BMI die Zeitschrift Yürüyüş (Az. ÖS II 2 – 20106/20#1).
- 2016 verbietet das BMI das Online-Angebot Altermedia Deutschland (Az. ÖS II 3 – 20106/2#4).
- 2016 verbietet das BMI im Zuge des Vereinsverbots gegen die Vereinigung Die wahre Religion (DWR) alias LIES! Stiftung den LIES! Verlag und alle seine Publikationen (Az. ÖS II 2 – 20106/8#2).
- 2017 verbietet das BMI das Online-Angebot linksunten.indymedia (Az. ÖS II 3 – 20106/2#9). Klagen dagegen bleiben 2020 vor dem Bundesverwaltungsgericht erfolglos (Az. 6 A 1.19, 6 A 2.19, 6 A 3.19, 6 A 4.19, 6 A 5.19, 6 AV 7.19). Verfassungsbeschwerden dagegen werden 2023 vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen (Az. 1 BvR 1336/20, 1 BvR 1337/20, 1 BvR 1338/20, 1 BvR 1339/20, 1 BvR 1340/20).
- 2019 verbietet das BMI die PKK-nahe Mezopotamien Verlag und Vertrieb GmbH sowie die MIR Multimedia GmbH (Az. ÖS II 2 – 20106/22#2). 2022 bestätigt das Bundesverwaltungsgericht das Verbot (Az. 6 A 7.19).
- 2022 beanstandet und untersagt die Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) der Medienanstalten die Veranstaltung und Verbreitung des Fernsehprogramms RT DE in Deutschland, weil die dafür erforderliche medienrechtliche Zulassung nicht vorgelegen habe. Das Programm RT DE ist ein zulassungspflichtiges Rundfunkprogramm, für das gemäß § 52 Medienstaatsvertrag weder eine Zulassung erteilt noch beantragt wurde. Die Veranstaltung und Verbreitung des TV-Programms über Live-Stream im Internet, über die Mobile- und Smart-TV-App RT News und über den Satelliten war daher einzustellen. Da es sich um ein bundesweit verbreitetes Rundfunkprogramm handelte, oblag die Entscheidung der ZAK. Die Veranstalterin von RT DE konnte sich auf keine andere europarechtlich legitime Erlaubnis berufen. Bereits 2021 leitete die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) als örtlich zuständige Medienaufsicht ein medienrechtliches Verfahren ein, in dem die RT DE Productions GmbH als verantwortliches Unternehmen um Stellungnahme gebeten wurde. Das Verwaltungsgericht Berlin bestätigte, daß die RT DE Productions GmbH das Fernsehprogramm RT DE nicht weiter senden dürfe (Az. 27 L 43/22). Auch TikTok, Facebook und Instagram haben die Konten von RT (Russia Today) gelöscht.
- Am 02.03.2022 verbietet der Rat der Europäischen Union die Sendung der Inhalte von RT — Russia Today English, RT — Russia Today UK, RT — Russia Today Germany, RT — Russia Today France, RT — Russia Today Spanish und Sputnik. Verfügt wird ferner die Aussetzung aller Rundfunklizenzen oder -genehmigungen, Übertragungs- und Verbreitungsvereinbarungen der genannten Medien.
- 2023 verbietet das BMI im Zuge des Verbots des Artgemeinschaft – Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e.V. die Nordische Zeitung (Az. ÖS II 3.20106/2 #22).
- 2023 verbietet das BMI im Zuge des Verbots der Harakat al-Muqawama al-Islamiya (HAMAS) die Verbreitung der HAMAS-nahen TV-Sender AL-QUDS sowie AL-AQSA-TV (Az. ÖS II 2 – 20106/31#2).
- Am 17.05.2024 beschließt der Rat der Europäischen Union, die Sendetätigkeiten von Voice of Europe, RIA Novosti, Izvestia und Rossiyskaya Gazeta auszusetzen, weil die Sender russische Propaganda verbreiten und den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine unterstützen. Die Medienunternehmen stehen unter der ständigen direkten oder indirekten Kontrolle der Führung der Russischen Föderation und haben wesentlich dazu beigetragen, den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine zu befeuern und zu unterstützen sowie die Nachbarländer zu destabilisieren.
- Am 16.07.2024 verbietet das BMI im Zuge des Verbots der COMPACT-Magazin GmbH und der Conspect Film GmbH u.a. die Zeitschriften COMPACT-Magazin, COMPACT-Geschichte, COMPACT-Spezial, COMPACT-Edition, COMPACT-Aktuell, das Fernsehprogramm COMPACT-TV sowie die Online-Angebote compact-online.de, conspect-film.com, YouTube: @COMPACTTV, YouTube: @JürgenEls.sser7613, Telegram: COMPACT-Magazin, Telegram: COMPACTTV, Telegram: COMPACT.DerTag, X (ehemals Twitter): @COMPACTMagazin, TikTok: compact.magazin, Gettr: @compact, Facebook: compact.tv, Facebook: Conspect Film GmbH, Instagram: Paul Klemm, VK: COMPACT-Magazin sowie WhatsApp: COMPACT (Az. ÖS II 3 – 20106/2#24). Das Bundesverwaltungsgericht setzte den Sofortvollzug des Verbots teilweise aus (Az. 6 VR 1.24). Die Klage im anhängigen Hauptsacheverfahren wird am 10. Juni 2025, 10 Uhr, mündlich verhandelt (Az. 6 A 4.24).