Reuß-Putsch: Sperrfrist 07:30 Uhr für die Veröffentlichung der embedded arrests

Published On: 8. Dezember 2022

«Mir schwant, morgen wird es viele ‹exklusiv›-Meldungen geben», schreibt Georg Heil, Leiter der ARD-Sendung Kontraste und Bruder des Bundesministers Hubertus Heil, am Tag vor den Razzien auf Twitter. Laut ARD-Journalistin Silvia Stoeber sei Georg Heil am frühen Morgen des nächsten Tages vor Ort gewesen bei der Razzia im Hause der Richterin am Landgericht Dr. iur. Birgit Malsack-Winkemann (AfD) in Berlin-Wannsee. Georg Heils Kollegin Lisa Wandt berichtete für die ARD vor der Kamera während es draußen noch dunkel war und der Zugriff vor Ort noch lief.

Die Stuttgarter Zeitung schreibt über einer Razzia-Reportage von Jürgen Bock und Franz Feyder: «Um 6 Uhr rückten Spezialeinheiten in ganz Deutschland bei mutmaßlichen Reichsbürgern an. Unser Redakteur war vor Ort.»

Bis zum 07.12.2022 um 07:30 Uhr gab es eine Sperrfrist für die Veröffentlichung der Ermittlungen. Journalisten hielt sich zwar an die Sperrfirst, waren allerdings bereits vor Beginn von Razzien an Orten des Zugriffs und bauten teilweise u.a. schon Stative und Kameras auf.

Laut Michael Götschenberg vom ARD-Hauptstadtstudio seien zahlreiche Personen seit langem über die Ermittlungen gegen den «Putsch-Prinzen» (DIE ZEIT) und die Razzien bei den Mitgliedern seiner «Terror-Bande» (BILD) informiert gewesen.

In einem Video der Tagesschau vom 08.12.2022 assoziiert Götschenberg die gestrigen Verhaftungen mit einem «Volksfestcharakter» und sagt, «daß doch sehr viele Personen, Journalisten mitbekommen haben, was da im Busch ist und auch wann diese Razzia stattfindet.»

Personen hätten mitbekommen können, daß Kameras aufgebaut worden seien «an den Orten, an denen Zugriffe stattfinden» und hätten daraus schließen können, daß ein Ereignis vor der Tür stehen könne. «Klopf Klopf Klopf», kündigte die Polizei Berlin kürzlich um sechs Uhr morgens ihre Razzien auf Twitter an.

Davon zeugen die zahlreichen Fotos und Videos, die während der Verhaftungen getätigt wurden. Die gestrige Verhaftung von Heinrich XIII. Prinz Reuß in Frankfurt am Main wurde vom dpa-Journalisten Boris Roessler bis in den Polizeiwagen hinein live begleitet. Embedded arrests. Bei der Festnahme der Richterin in Berlin war dpa-Journalist Paul Zinken vor Ort.

Martina Renner (DIE LINKE), Mitglied des Bundestages, erzählt über das Bekanntwerden der Ermittlungen: «Ich selbst wusste seit Mitte letzter Woche bereits davon und weiß außerdem von mehreren Medien, die schon seit zwei Wochen Kenntnis hatten. Es waren die Namen der Beschuldigten bekannt, ihre Adresse und der geplante Zeitpunkt des Zugriffs. Geheimhaltung ist aber schwierig, wenn man vorher Zielpersonen und Uhrzeiten durchgibt. Die Infos waren derart breit gestreut, daß es wie eine PR-Aktion wirkt.»

Viele Journalisten wußten vor den Razzien Bescheid, bei wem, wann und wo diese stattfinden werden. An den Ermittlungen und Maßnahmen sind mehrere Behörden beteiligt: Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, das Bundesministerium des Inneren, das Bundeskriminalamt, das Bundesamt für Verfassungsschutz und die Polizei Berlin. Alle dementieren überstimmend, bei ihnen habe es keinen Geheimnisverrat gegeben. Niemand will es gewesen sein, der die zahlreichen Medienvertreter informiert habe.

Bundeskriminalamt (BKA)

Ein Sprecherin des Bundeskriminalamtes (BKA) in Wiesbaden, das an den erfolgreichen Ermittlungen für die Operation Schatten maßgeblich beteiligt war, sagt: «Zum Schutz der eingesetzten Kräfte und zur Gewährleistung einer erfolgreichen Strafverfolgung teilt das Bundeskriminalamt im Vorfeld von Einsatzmaßnahmen grundsätzliche keine Informationen mit nicht berechtigten Stellen und Personen. Dies gilt auch für die Einsatzmaßnahmen am 07.12.2022.»

Polizei Berlin

Ein Sprecher der Polizei Berlin sagt, «daß die Polizei Berlin – auch schon aus einsatztaktischen Gründen – im Vorfeld von Durchsuchungs- und/oder Festnahmemaßnahmen keine Auskünfte erteilt. Die Pressestelle der Polizei Berlin hatte fernerhin keine Kenntnis darüber, daß der Einsatz verschiedenen Journalistinnen und Journalisten im Vorfeld bekanntgegeben wurde. Darüber hinaus oblag die Auskunftshoheit zu dem gestrigen Einsatz ausschließlich bei der Generalbundesanwaltschaft.»

Bundesministerium des Inneren (BMI)

Eine Sprecherin des Bundesministerium des Inneren (BMI) sagt: «Das Bundesinnenministerium hat im Vorfeld der heutigen Maßnahmen keinerlei Informationen zu den Maßnahmen und dem Ermittlungsverfahren mit Journalistinnen und Journalisten geteilt. Die Informationshoheit liegt einzig bei der ermittlungsführenden Stelle, dem Generalbundesanwalt.»

Bundesamt für Verfassungsschutz

Eine Sprecherin des Bundesamtes für Verfassungsschutz sagt: «Seitens des BfV wurde die Presse über die Operation nicht informiert.»

Der Generalbundesanwalt (GBA)

Eine Sprecherin des Generalbundesanwaltes (GBA) teilt dazu mit: «Die Kommunikation der Bundesanwaltschaft mit Vertretern der Presse erfolgt im Rahmen presserechtlicher Vorgaben unter Berücksichtigung der Belange des Ermittlungsverfahrens. Zu letzteren gehören insbesondere die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen und eine mögliche Gefährdung der Ermittlungen. Ich bitte um Verständnis, dass wir uns zu Einzelheiten nicht äußern. Wir haben keine Erkenntnisse dazu, auf Grundlage welcher Informationen einzelne Medien von den Maßnahmeorten erfahren haben und dort womöglich zugegen waren. Wir werden dies auch nicht kommentieren.»

Justizpressekonferenz (JPK)

Viele Behörden der Justiz pflegen über die Justizpressekonferenz Kontakte zu Journalisten.

Kolja Schwartz, 1. Vorsitzender des Justizpressekonferenz (JPK) e. V. in Karlsruhe, bestreitet, sein Verein habe Mitglieder informiert: «Dem Verein Justizpressekonferenz wurden im Vorfeld der Ermittlungsmaßnahmen am 7.12. keinerlei Informationen von der Bundesanwaltschaft übermittelt. Der Verein konnte demzufolge auch keine Informationen an die Mitglieder weitergeben.»

Bleibt die Frage, wie die Hinweise auf bevorstehende Razzien an die Journalisten gelangten. Die betroffenen bestens informierten Journalisten wollen es indes nicht verraten.

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